Schleswig und der Koreakrieg

…uuuund die Spritfabrik und die Zuckerfabrik und das Butterwerk und die Nordfleisch AG

…abgestaubt und verlängert (“scrollen”)

Nikolaus Schlüter, Schleswigs 76jähriger Hafenmeister, will vor Gericht den Beweis für die Seetüchtigkeit seines Motorbootes erbringen, das er nach Ausbruch des Korea-Konfliktes an den CDU – Landtagsabgeordneten Hans Jürgen Klinker und dessen Freund Stoltenburg verkaufte.

(Rechts ein Konterfei von Hans-Jürgen Klinker, nach dem in Schleswig sogar eine Straße benannt wurde – ganz in der Nähe der Pleite gegangenen Spritfabrik von Stoltenburg)

Links und rechts sehen wir den Hof von Klinker, Süderstraße 2, in Uelsby. Die Stallgebäude sind zweimal abgebrannt.

Fast zwei Jahre lang hatte sich der alte Seebär vergeblich bemüht, das siebeneinhalb Meter lange V-Boot zu verkaufen. Er hatte es in wrackähnlichem Zustand aus der Erbmasse der großdeutschen Kriegsmarine für 500 R-Mark erworben, flott gemacht und mit einem tadellosen 66-PS-Dieselmotor ausgestattet. Nach der Währungsreform meldete sich die britische Besatzungsmacht als Rechtsnachfolgerin des liquidierten NS-Staates und verlangte 4000 DM Nachzahlung.

(Ich behaupte einfach mal, dass das kleine, weiße, in Fahrt befindliche Boot ein V-Boot ist… )

Schlüter ist kein Krösus. Das Amt des Hafenmeisters wird von der Stadt Schleswig mit 40 DM monatlich dotiert. Mit Hilfe einer 90-DM-Rente kann er sich dabei gerade überm Hafenwasser halten. So ging Schlüter darlehnsbittend zur Kreissparkasse. Boot und ein winziges Häuschen in Schleswigs Hafenstraße 4 gab er als Sicherheit.

Die geldfordernden Besatzer schaffte Schlüter sich mit dem Darlehn vom Hals. Doch die Bankschulden ließen ihn seines Lebensabends nicht froh werden. Nur ein günstiger Verkauf des Bootes konnte ihn retten. Die Aussichten darauf schienen gleich null. Da knallte es am 38. Breitengrad, und plötzlich wurde Schlüters seetüchtiges Motorboot interessant. Mehrere Käufer meldeten sich. Nun wollte Schlüter die Konjunktur aber auch ausnutzen und studierte die Landkarte.

Schleswig-Holstein liegt östlich der Elbe, also jenseits der äußersten Linie, die gegebenenfalls von Eisenhowers Atlantik-Paktanten gegen die Sowjets verteidigt werden würde. Der Landweg nach Westen würde für Flüchtlinge bei dem zu erwartenden Andrang wenig Aussichten bieten: der Flüchtlingsstrom würde sich an den Hamburger Elbbrücken stauen. Ein an der Westküste Schleswig-Holsteins liegendes startbereites Motorboot könnte in einem solchen Eventualfall dagegen die Rettung bedeuten.

Nach dieser Ueberlegung machte Nikolaus Schlüter seine Bootsrechnung auf: 6000 DM.


So viel sollten auch CDU-Klinker aus Uelsby und sein Geschäftsfreund Stoltenburg von der Klappschauer Schnapsfabrik zahlen, als sie Käuferwünsche anmeldeten.

Bevor der Kauf perfekt wurde, machten sie erst eine Probefahrt mit Familie. Da merkte Schlüter, daß sie von der Seefahrt keine Ahnung hatten. Schlüter war es einerlei. Für ihn war ausschlaggebend, daß sich die beiden Käufer bei der Schlußverhandlung in Ravens Hotel bereit erklärten, Schlüters inzwischen auf 5500 DM angelaufene Bankschulden zu übernehmen. Die Bank hatte das Darlehn zum 30. September 1950 gekündigt. CDU-Klinker und Stoltenburg setzten sich mit ihr in Verbindung, und Schlüter war zunächst seine Schulden los.

Nur noch eine Bedingung der Käufer mußte er erfüllen: das Boot von Schleswig an die Westküste zu überführen. Das wurde durch die inzwischen aufgekommenen Herbststürme erschwert. Am 26. Oktober fuhr Schlüter mit dem Boot bis Schleimünde. Der Feuerturm meldete Windstärke 8-9 aus Südost. Bei solchem Sturm trauen sich selbst Hochseekutter nicht auf die offene See hinaus. Schlüter machte sein Boot in Kappeln fest und fuhr erst mal nach Hause.

Am 7. November unternahm er einen zweiten Versuch. Noch immer war grobe See. Aber der Wind hatte auf Nordwest gedreht. Ganz allein in seinem Kahn schipperte der 76jährige los. Der Berufsehrgeiz hatte ihn gepackt. Er brachte sein Fahrzeug heil über die Kieler Bucht, durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal und die Eider nach Tönning, wo er es einem Vertreter der Kröger-Werft in Husum übergab. Dort sollte das Boot im Auftrag von Klinker und Stoltenburg überholt und ausgebaut werden.

Drei Tage war Schlüter unterwegs gewesen. Nach Schleswig zurückgekehrt, kassierte er 26,30 DM für die Wartung des Bootes während der Monate September/Oktober. Als er dann noch die Rechnung über 244 DM für die Ueberführung nach Tönning auf den Tisch legte, rebellierten die Käufer. 100 DM hatte Stoltenburg dem Hafenmeister mit auf die Reise gegeben. Weitere 50 DM hatte sich Klinker aus der Brieftasche ziehen lassen.

Die restlichen 94 DM muß Schlüter jetzt einklagen. Und den Kaufpreis des Bootes dazu. Denn Klinker und Stoltenburg wollen von dem Kauf zurücktreten. Das Boot sei nicht seetüchtig. Das habe die abenteuerliche Ueberführungsfahrt erwiesen.

(Die “Sache” aus dem Jahr 1958, wo der mächtige Poliker Klinker für einen seiner Bauern gefochten hat, soll als Beispiel für die Schlitzohrigkeit des CDU-Politikers dienen.)

“De hebbt sich wat Beteret tolegt”, mutmaßt Schlüter und hat in Flensburg Klage eingereicht. Kollegen in Tönning haben ihm erzählt, daß sich noch andere Herren seetüchtige Fahrzeuge an die Westküste legen ließen.

Hellsichtige Bürger zogen gewisse Rückschlüsse aus einer neuen Anordnung der Besatzungsmacht, daß Schleswig-Holstein als ostelbisches Land von Truppenverstärkungen ausgenommen werden soll. Die inzwischen von DP’s geräumten Kasernen in Glücksburg und Lübeck sollen nicht britische Soldaten, sondern kasernenverdrängte Deutsche aus anderen Ländern der Bundesrepublik aufnehmen, die westlich der Elbe liegen.

Admin: Vielen Dank, Norbert, für Deinen Tipp und Spiegel-Online für den Text. Ich hoffe, ihr vom Spiegel, dass ich keine rechtlichen Probleme bekomme…

Hahaha!

Norbert:
Der Bericht von 1958: Bauer verlangt für ein Stück Brot 50 Pfennige usw. ist Klasse. Es wird wohl ein Bauer aus Luusangeln gewesen sein. Die hatten es schon immer faustdick hinter den Ohren. Ein Ex-Nachbar von mir war auf die Bauern hier oben nicht so gut zu sprechen.

Über die bayerischen erzählte er etwas ganz anderes.

Während der Rangerausbildung als Soldat wurden er und 2-3 Kollegen in die Wallachei gefahren und mußten ohne fremde Hilfe sich ernähren und zurück zur Schule finden. Es war ihnen untersagt, bei den Bauern um Hilfe zu bitten.

Schön und gut, sie taten es trotzdem.

So wurden sie einmal eingeladen und wurden auf der Tenne mit Kaffee und Kuchen bewirtet anläßlich einer Feier. Als sie gingen, fragten sie an, was denn hier gefeiert wird.

Die Antwort: Das Begräbnis des ehemaligen Hofbesitzers!

Wer Spaß dran hat, kann hier nachlesen, dass H.-J.-K. damals eine große Nummer im Fleischgeschäft war. Er hatte nicht nur Freunde…

In den “Mitteilungen Nr. 20 – Weihnachten 1963” der Vereinigung staatlich geprüfter Landwirte – Schleswig findet sich diese Jubelarie des “SGL H. J. Klinker, MdB” auf Zuckerfabrik, Butterwerk und Nordfleisch A.G.

Auch 1965 florierte das Butterwerk noch bestens, wie heute (8.5.2010) in der Rubrik “SN im Rückblick – Vor 45 Jahren” zu lesen ist:

Das Schleswiger Butterwerk erlebt ein Boom-Jahr: Eine Rekordproduktion von 100 000 Halbpfundpaketen pro Tag vermeldet unsere Zeitung am Donnerstag, 6. Mai 1965. Das Butterwerk Schleswig, das erste seiner Art in der Bundesrepublik, soll nach einem mehrjährigen Ausbau 6000 Tonnen Butter pro Jahr herstellen. Kaum sind die Erweiterungen abgeschlossen, meldet die Fabrik neuen Baubedarf an: Die Kühlräume reichen nicht mehr aus, im Mai 1965 lagern hier rund 1,8 Millionen Kilo Rahm.

Dütt un Datt (schön durcheinander, wie immer im “Klassentreffen”:

Das druckte der Spiegel 1961 zum Thema “Butterwerk”…

Das “Klassentreffen” hat zum Butterthema auch schon etwas zugebuttert…
Gugeliges:

Carstensen war bis zu seiner Kandidatur zum Ministerpräsidenten Mitglied des Aufsichtsrates der CG Nordfleisch AG (heute Vion Food Hamburg).

Norbert Neidebock:

Apropos Butterberg:
Die Butter wurde von der EWG hochsubventioniert in den Ostblock exportiert und kam postwendend über die DDR wieder zurück, was von der BRD auch wieder subventioniert wurde. Diese Ex-und Importeure haben sich damals in 60er und 70er Jahren, bis sie aufflogen, dumm und dösig verdient. Angeblich waren die nachher so abgebrüht, daß die Butter nur noch auf dem Papier bewegt wurde. So ähnlich geschah es auch mit anderen Sachen, z.B. mit Getreide.
Es sollte mich gar nicht wundern, wenn einige der o.a. Herren auch ihre Finger mit im Spiel hatten

Nochmal Butter (Aus den SN vom 19.6.2010 “Vor 10 Jahren”:

Die Nordmilch AG will ihr Werk in Schleswig schließen. Dies berichten die Schleswiger Nachrichten in der Ausgabe vom Donnerstag, 15. Juni 2000. Der Betrieb, der zuletzt pro Jahr 286 Millionen Liter Milch verarbeitete, müsse sich auf das Ende der Produktion bis zum Jahreswechsel 2001 / 2002 einstellen, teilt der Konzern mit. Die 43000 Tonnen umfassende Butter- und Milchpulverproduktion soll nach Hohenwestedt verlagert werden. Mindestens 60 der 92 Mitarbeitern in Schleswig droht der Gang in die Arbeitslosigkeit.

Admin: Irgendwie sind die SN mit ihrer heutigen Rubrik (“Vor 45 Jahren”) bedrückend aktuell. Damals wurde gemeldet, dass “In einem Vergleich aller Mittelstädte Schleswig-Holsteins Schleswig bei der Steuerkraft pro Einwohner auf dem vorletzten Platz liegt.”

Mich würde mal interessierten, wie heute dieser Vergleich ausfällt?

1.258 Ansichten

5 Gedanken zu „Schleswig und der Koreakrieg“

  1. Das ist ja wieder eine starke Story – besonders schön zum heutigen Sonntag!
    Und dabei steigt mir wieder in die Nase einerseits der feine Duft, wenn man in die Nähe der Spritfabrik kam, und dann der ganz andere, wenn Schlempe als Abfall und dann begehrte Futtersuppe vorbeigekleckert wurde…
    Hat Herr Schlüter sein Geld bekommen? Gegen Bauernschläue sowieso und CDU-Klinker speziell?

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  2. Der Bericht von 1958: Bauer verlangt für ein Stück Brot 50 Pfennige usw. ist Klasse. Es wird wohl ein Bauer aus Luusangeln gewesen sein. Die hatten es schon immer faustdick hinter den Ohren.
    Ein Ex-Nachbar von mir war auf die Bauern hier oben nicht so gut zu sprechen.
    Über die bayerischen erzählte er etwas ganz anderes.
    Während der Rangerausbildung als Soldat wurden er und 2-3 Kollegen in die Wallachei gefahren und mußten ohne fremde Hilfe sich ernähren und zurück zur Schule finden.
    Es war ihnen untersagt,bei den Bauern um Hilfe zu bitten.
    Schön und gut, sie taten es trotzdem.
    So wurden sie einmal eingeladen und wurden auf der Tenne mit Kaffee und Kuchen bewirtet anläßlich einer Feier.
    Als sie gingen, fragten sie an, was denn hier gefeiert wird.
    Die Antwort: Das Begräbnis des ehemaligen Hofbesitzers!

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  3. Tja, Hanns M., der Ausgang der Geschichte würde mich auch interessieren. Leider habe ich nur den Spiegel-Bericht, ich armer Mensch…:(

    Die Spritfabrik hat mit ihren Abwässern ja den Mühlenbach (und damit auch die Teiche in der Stadt) bis zur Schlei hin ermordet.

    Norbert: Apropos Schnaps, Anfang der 50er wurde die Spritfabrik eröffnet. Da lagen große Berge Datteln oder Feigen, von denen wir uns manchmal welche klauten. Wir mußten nur schneller als die Arbeiter sein, die uns immer verjagten. Diese Fabrik hat mit ihren ungeklärten Abwässern den Mühlenbach versaut, so daß die Frösche und Stichlinge und weiß der Deubel, was noch mehr, ausgerottet wurden. Aber das hat damals kaum ein Schwein gestört!!

    Irgendwann wurde die Kloake dann noch “begradigt” damit der Dreck besser abfließen konnte. Jetzt hat sich das Thema Spritfabrik ja erledigt und das Wasser ist wieder sauberer…

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  4. Apropos Butterberg:
    Die Butter wurde von der EWG hochsubventioniert in den Ostblock exportiert und kam postwendend über die DDR wieder zurück, was von der BRD auch wieder subventioniert wurde. Diese Ex-und Importeure haben sich damals in 60er und 70er Jahren, bis sie aufflogen, dumm und dösig verdient. Angeblich waren die nachher so abgebrüht, daß die Butter nur noch auf dem Papier bewegt wurde.So ähnlich geschah es auch mit anderen Sachen, z.B. mit Getreide.
    Es sollte mich gar nicht wundern, wenn einige der o.a. Herren auch ihre Finger mit im Spiel hatten

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  5. Sind das die Spezis, die sich untereinander länderübergreifend und völlig unabhängig vom jeweiligen Regime schon kennen und immer ihre gewinnbringenden Geschäfte dann auch noch mit dessen Unterstützung mach(t)en?
    Das lief sogar reibungslos während des Krieges:
    Nazi-Deutschlands Krupp brauchte Mangan für Geschützrohre – unerreichbar aus Südafrika.
    Die Nazi-Gegner hatten es, wollten für ihre eigenen Geschütze aber gerne die besten Zieloptiken – von Zeiss, Deutschland.
    Also wurde getauscht! Auch im Krieg !
    Und diese Macher gewinnen immer.
    Politiker sind für sie untereinander doch vermutlich nur Lachfiguren, höchstens Marionetten mit Feigenblattfunktion.

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