Die Schwengelpumpe in der Kuhle

Hanns Mieschendahl:

Ihre neuen Archivluftbilder sind ja besonders stark!
Habe mir erlaubt, im angehängten Ausschnitt die Stelle in der Kuhle zu markieren, wo in meiner Kindheit die Schwengelpumpe stand.

Admin: Sollte es sich um diese Pumpe handeln? |-|

Das Foto ist der “Scan” einer guten alten Ansichtskarte. Auf der Rückseite steht z.B. unter “Cekade” eine Nr. 59/8 (könnte es eine Aufnahme von 1959 sein?) und “Agfa Originalfoto”. Das ist Qualität!

Benny Gutmann hat mir etliche Ansichtskarten von Schleswig zukommen lassen. Vielen Dank, Benny! Er hat mir am Telefon erzählt, dass er sie von Käpt’n Mehl hat, der sie seinerseits von einer alten Dame bekommen hat. So kann es gerne weitergehen, mit dem “Klassentreffen”! :D

Hier (in der Ostermontagspost vom vergangenen Jahr) findet sich Einiges zum Nachlesen zum Thema Hornbrunnen…

Die Frage, ob die Luftaufnahme von 1959 sein könnte, beantworte ich mal selbst mit einem unverbindlichen “ja”. Man erkennt deutlich, dass der Damm für die Umgehungsstraße schon aufgeworfen ist, die Straße selbst aber noch nicht vorhanden ist. Der erste Abschnitt der Umgehungsstraße wurde am 24. Oktober 1961 eingeweiht – also kann 1959 angehen! :D

Hanns M.:

– den “Hirschhornbrunnen” hatte ich ja schon lokalisiert:

Trat man aus dem Bahnhof, stand links gegenüber auf dem Eckgrundstück eine amtliche(?) Baracke Ba, dahinter ein stattlicher Maulbeerbaum M – aus den Seidenraupenzuchtzeiten vermutlich – mit leckeren Maulbeeren zu gegebener Zeit.

Einheimische wussten wohl wenig von diesem Genuss, die Früchte lagen dann in Mengen am Boden. Sie “wussten” auch um die Giftigkeit der Vogelbeeren/Ebereschenfrüchte und fanden es dann nicht so lustig, dass nach Kriegsende Flüchtlinge es besser wussten und daraus prima Marmelade kochten.

Rechts schräg rüber im Park ging es Stufen runter in den Erdbunker Bu. Wir verkrochen uns bei Fliegeralarm durch die kräftige Bahnhofssirene im Keller des Guttemplerhauses G.

Die ganze Bahnhofstrasse bis zur Friedrichstrasse war eine einzige Rotdornallee.

Bei cl auf dem Garagenplatz des Bahnhofshotels testeten im Sommer 1945 englische Offiziere ihre Beute-Kamera.

Ko der Kolonialwarenladen von Helga Diedrichsen. Ausgediente Marmeladeneimer bekamen wir zum Rummelpott. Die nötigen Schweinsblasen von S Schlachterei Arbien/Meier gegenüber der Bugenhagenschule.

SP neben der BHS war ein Pferdeschlachter, mit dessen zartem Fleisch uns mein Grossvater gelegentlich überraschte. Sein Geständnis kam aber nur nachträglich, nachdem wir gestanden hatten, dass es besonders gut geschmeckt hatte.

O war unsere erste Anlaufstelle beim Rummelpottlaufen am 31.12.: Über den Hinterhof eine Aussentreppe hoch standen wir bei Mutter Claussen direkt in der Küche, wo sie die frischen Berliner aus dem heissen Fett fischte.

<55 war das Haus, das Herrmann Claussen jun. für sich vor 1955 gebaut hatte.

——> der Kaninchenberg, der wg. Kopfsteinpflaster nur bei genügend Schnee für Schlitten ging.

Die Wohnblocks >56 wurden nach unserer Zeit im Hornbrunnen (bis Sommer 1955) wohl auf Gärtnerei-Gelände für BuWe-Angehörige gebaut.

In der Friedrichstrasse war für uns dann noch die Apotheke mit gusseiserner Aussentreppe (und ausgestopftem Fasan drinnen) kurz vorm Abzweiger zum Busdorfer Teich, He Polsterei Henningsen und Fi das Fischgeschäft Gosch, im Husumerbaum Bäckerei Holtorf für Brot auf Lebensmittelmarken, die andere Ecke Ko Kohlen-Hagge.

An der Friedrichstrasse gegenüber Foto-Münch ein grösseres Eckhaus – erreichbar auch über den Friedhof – mit ganz viel Werkzeug Eisenwaren Lill+Kähler. Wie bei uns auf dem Dachboden die Drahtverschläge Flüchtlingen zugeteilt. Einer, der dort mit seiner Familie “gelebt” hatte, war 25 Jahre später in Dithmarschen mein Chef.

Ar Gelegentlich half uns Herr Krambeck als Armenpfleger, Le Lebensmittelgeschäft Jöns, an der Ecke Schulberg ein Holzkiosk mit Fr Friseur Timm links und Süsswaren rechts: Die Pergamin-Wundertüte anno 1949 fürn Groschen – ich sehe noch die Enttäuschung im Blick meiner Mutter über meinen einmaligen Einkauf.

Ein kurzes Stück den sandigen Erdbeerenberg rauf war unser Milchmann Nielsen, der später sogar ein Tempo-Dreirad benutzte: Mager-, Voll- und Buttermilch wurde aus grossen Kannen in unsere kleinere umgeschöpft, Sahne aus einer kleinen. Sonntags gabs für uns manchmal ein Stück Butter statt der viel billigeren Margarine. Wenn meine Grossmutter mich “gute” Butter holen liess. Frau Nielsen schnitt dann ein 250g-Paket in 8 Teile. Der Rahm der unhomogenisierten Vollmilch wurde abgeschöpft, im Sommer wurde sie in wenigen Stunden dick – die Rindviehbestände wurden erst später tb-frei.

Asyl am Anfang Erdbeerenberg gegenüber der Post war vielleicht eine Schule(?) gewesen: Die grossen Räume wurden mit Decken familienweise abgetrennt für Flüchtlinge. Einige lernten wir näher kennen: Balten hatten für sich den Herrenmenschen verinnerlicht – gerade auch gegenüber den Reichsdeutschen, von Volks- und Beutedeutschen ganz zu schweigen. Ostpreussen hatten wohl gleich Lastenausgleichswitterung aufgenommen: Rittergutsbesitzer waren sie alle gewesen. Dumm nur, wenn dann Nachbarn aus der Heimat auftauchten, die sich alle als Knechte kannten…

In diesem Block lebte noch Jahre nach dem Krieg ein Bekannter: Aus russischer Kriegsgefangenschaft spät heimgekehrt fand er dort seine Frau mit seiner Tochter wieder. Die Frau verliess den von Krieg und Gefangenschaft schwer gezeichneten Mann und die geistig behinderte Tochter dann doch lieber und fing ein neues Leben an. Der Mann schlug sich also alleine mit seiner Tochter durch und wurde eines Tages verhaftet: Die Tochter hatte ihn angezeigt, er hätte sich an ihr vergriffen. Seine Unschuldsbeteuerungen halfen ihm nicht, er wanderte umgehend ins Gefängnis. Nach 2 Jahren wurde er überraschend entlassen: Seine Tochter hatte gestanden, dass all ihre Anschuldigen erlogen gewesen waren. Sie durfte nicht ins Kino, das hatte sie wütend gemacht…

Weniger Dramatisches erlebten wir im Minerva-Lager: Auf die Anregung hin, ihre Kinder möglicherweise mit Wasser und(!) Seife zu waschen, empörten sie sich lautstark über mangelhafte finanzielle Unterstützung durch das Amt. Im selben Atemzug schwärmten sie dann von der gerade besuchten Zirkusvorstellung: Die ganze kinderreiche Familie selbstverständlich die teuersten Logenplätze – man gönnt sich ja sonst nichts.

Sehr adrett im schwarzen Kleid mit weisser Schürze begrüsste uns dort zum Kaffee eine andere mehrfache Mutter. Allzeit freundlich und hilfsbereit hatten ihre Kinder alle verschiedene Väter in der Schleswiger Geschäftswelt. Finanziell ausgewählt liessen sie sich die Verschwiegenheit der Mutter einiges kosten.

Ist das Leben bunt?

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