Ein Spaziergang – aber wo?



Hier gehen meine Mutter mit meiner Schwester und meiner Tante Irma im Sommer 1943 spazieren. Es wird wohl in der Nähe der Wohnung in Sankt Jürgen sein. Ich vermute mal auf dem Gelände der Anstalt. Norbert, was meinst Du dazu?

Norbert Neidebock: Die Brücke könnte über den Mühlenbach gehen in der Nähe vom Polierteich. Das eiserne Geländer bereitet mir aber Kopfzerbrechen.

Gerd Tams: Tja, wo war die Brücke…die Frage stell ich mir auch

Torsten Hansen: …Das Brückengeländer ist sicher damals eingeschmolzen worden für den “Endsieg”

Norbert Neidebock: In der Google-Karte ist es der Kirchenste(i)g auf den beiden rechten Bildern. Wir nannten es die Wurt, wenn ich mich recht erinnere.

Der Kirchensteig scheint dann also so nicht mehr zu existieren: ‘( Wir sind als Gören gerne da runter gerodelt. Unter der Betonbrücke mußten wir dann Schnee hinpacken. Dort trafen sich dann auch die Gören aus der Carsten- und Philipsenstraße. Die aus´m Moldeniter Weg rodelten lieber die Klensbyer Straße runter. Grund: Oftmals Gnatsch mit den Typen der vorhergenannten Straßen. Manchmal waren die stärker, manchmal wir ;D Naja, vom Polierteich waren auch noch welche da! Es ging damals rau zu :>> Aber es wurde nie nachgetreten, wenn der Gegner aufgab!

Nochmal Norbert: Was die Fairness beim Raufen betraf: Wir lasen ja damals so tolle Schmöker wie Billy Jenkins, Tom Prox oder Pete Summers, sahen Western mit Alan Ladd & Co. Die Helden waren immer frisch rasiert und hatten teilweise weiße Kostüme an, sehr sauber :)) nicht solche Ferkel, wie in den Italowestern. In den Filmen sah man kaum Blut. Die Aischen und Bösen starben durch die Kugeln des Helden ohne Blutverlust. Alles sehr EDEL. Und auch beim Boxen wurde doch immer, wenigstens auf der Seite des Guten, auf die Regeln geachtet. Das änderte sich erst Mitte der 60er, als Django mit seinem MG im Sarg durch den Matsch stapfte ;D

Gerd Tams: Es ist schon komisch. Als Bewohner von Drei Kronen ist man woanders Schlitten gefahren…

So, Sönke Hansen hat seinen Papa befragt, der in der St. Jürgener-Str. 27 (das letzte Doppelhaus, danach kamen Koppeln) aufgewachsen ist:

Das Foto ist in der Wurt (Papa Hansen war überrascht, als Sönke dieses Wort sagte, das hatte er lange nicht mehr gehört) aufgenommen worden, die Brücke führte damals zum Sportplatz. Hinter Mutter Tams führte der Weg zum Mühlenredder. Das Geländer kenne ich noch.

Sönke Hansen: Da rief gerade mein Vater noch einmal an. Die Wurt nannte man das Gebiet Klensbyer Str. herunter bis zur Einmündung Moldeniter Weg (heute).
Da ist mein Vater früher Schlitten gefahren. Wo sich heute der Brautsee mit dem Moldeniter Weg kreuzt, steht eine Betonwand. Dort war damals die Kiesgrube von den Anstalt. Und dieses Gelände hieß Wurt.

Norbert Neidebock: Ob die Klensbyer Straße mit anliegendem Gelände auch WURT genannt wurde? Da bestehen bei mir doch gewisse Zweifel :yes: In der Kiesgrube haben wir fast täglich gespielt. Bei uns hieß sie nur “Sandkuhle”! Ich wohnte von meiner Geburt 1943 bis 1968 nur ca. 100 Meter davon entfernt (Moldeniter Weg 5 – 7). Oben am Rande der Sandkuhle war auf der einen Seite die Pferdekoppel der Anstalt, auf der anderen eine Wiese, die einem Bauern vom Gallberg gehörte. (Name: Callsen??? oder Kähler???) Es war eine tolle Gegend, mit einem mit Büschen bewachsenem Abhang, um Cowboy und Indianer zu spielen. Das ging alles den Bach runter, als das Känguruhviertel gebaut wurde. :'(

Mir ist eingefallen, wie wir das Stück der Klensbyer Str. von dem Haus des Lehrers Petersen oder des Hauses von Zahnarzt Riedel zum Moldeniter Weg nannten: Es war der REDDER.

Das Foto ist auf dem Kirchensteig aufgenommen worden. Und zwar schaut Mutter Tams in Richtung Polierteich, im Hintergrund befindet sich der Gallberg. Der Kirchensteig führte vom Gallberg an einem “Haus S” vorbei, den Weg gibt es heute nicht mehr.

Sönke Hansen: Mein Vater hat heute Fiete Böttcher beim Einkaufen getroffen. Er sagte, die Wurt war oben beim Gallberg verlief Richtung Polierteich.
Wir halten jetzt mal die Aussagen von Fiete (die sich mit Norberts Angaben decken) wie folgt im Bilde fest:

Sönkes Vater hatte noch extra eine Skizze angefertigt. Die Angaben in dieser Skizze wurden in dem obigen Bild berücksichtigt.
Sönke (ein neugieriger Mensch) hat sich durch die Rabatten geschlagen und folgende Fotos geschossen und erläutert:

Blick in Richtung Gallberg, rechts zwei Blöcke der Anstalt

Ehemals Kirchensteig, man findet dort einige Fundamente zwischen dem Grünzeug

Altes Gitter

Fundamentreste, war hier die Brücke?

Unten am Polierteich. Im Hintergrund die Treppen, links ging der Kirchensteig nach oben zur Anstalt. Der Weg ist im Ansatz noch vorhanden, ist aber völlig zugewuchert
Rechts führt der Kirchensteig nach oben und endet in einem Laubwald

Auf der Suche nach der “Wurt” bin ich im Buch von Heinrich Philippsen von 1923 auf die Bezeichnungen von zwei “Wurten” in Schleswig gestoßen:

Der Schubystraße einverleibt ist auch der einstige “Michaelis-Baumhof”, dessen Gebiet heute von der neu angelegten “Bismarckstraße” durchschnitten wird und früher Kirchmanns- oder Naßers-Wurt genannt wurde, nachdem eine alte, hier bestandene Richtstätte eingegangen war
und
Der heutige Domkirchhof, der nach Schließung eines im Jahre 1829 angelegten Kirchhofes an der Butzauerwurt in der Schubystraße im Jahre 1868 eingerichtet wurde, liegt gleichfalls im einstigen Stadtfelde

Nun kommen wir nochmal auf das Thema Schlittenfahren zurück:

Das Foto zeigt den großen Baum auf Drei Kronen, im Hintergrund die Dornenhecke zur alten B201 hin (St-.Jürgener-Str.). Auf der Ecke (links?) wohnte Familie Neve.

Gerd Tams: Der große Baum ist es leider nicht, der große Baum ist dieser hier, auf dem rechten Foto. Er war schon im Jahr 1940 (ca.) groß.

Und hier noch eine Frage:

Ist hier nicht eine Bootsfahrt vom Hafen rüber nach Haddeby zu sehen? Meine Mutter (vorne) sieht noch recht jung aus. Demnach ist das Foto wohl Anfang der 40er entstanden. In Haddeby ist wahrscheinlich Schwoof.

Norbert Neidebock: In unserer Kindheit gab es nur eine Motorboot- und Segelbootverbindung zwischen dem Hafen oder der Schleihallenbrücke und Haddeby und Selk.
Weiter die Schlei Richtung Schleimünde fuhren nur die Dampfer.

Von hier aus könnte das Motorboot nach Haddeby abgelegt haben…


…oder auch von hier…

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13 Gedanken zu „Ein Spaziergang – aber wo?“

  1. In der Google-Karte ist es der Kirchensteg auf den beiden rechten Bildern. Wir nannten es die Wurt, wenn ich mich recht erinnere.
    Die anderen beiden Bilder sehen so aus, als ob sie im Anstaltspark aufgenommen worden sind.Die Brücke könnte über den Mühlenbach gehen in der Nähe vom Polierteich. Das eiserne Geländer bereitet mir aber Kopfzerbrechen.
    In unserer Kindheit gab es nur eine Motorboot- und Segelbootverbindung zwischen dem Hafen oder der Schleihallenbrücke und Haddeby und Selk. Weiter die Schlei Richtung Schleimünde fuhren nur die Dampfer.
    Datt laat ick eenfach mol so stohn:))

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  2. Es gab (gibt?) einen Gang nördlich der Michaeliskirche, der von dort zur Michaelisstraße führt und bei Friseur Dethleffsen auf dem Platz mündet, auf dem Kiek in de Stadt und Walbohm sind.
    In meiner Kindheit war dieser Gang rechts und links mit einem hohen Bretterverschlag versehen, und wir sind dort mit Roller und Rad immer gern volle Pulle gefahren. Daran erinnern mich die Bilder.
    Das Brückengeländer ist sicher damals eingeschmolzen worden für den “Endsieg”.

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  3. Doch! Wolfgang Kather, Ilse Behrens und Gerd Tams sind diesen Weg am 7.8.2007 gegangen! Aber war da eine Betonbrücke?

    Wenn ich mir den Kirchensteig auf dieser Karte (stammt von Sönke Hansen, neu in der rechten Spalte) angucke, bin ich mir nicht mehr sicher, dass er heute noch in dieser Form existiert. Der Weg, den wir am 7.8.2007 gegangen sind, ging vom Polierteich eine ziemlich vergammelte Treppe hoch und dann geradlinig am Dr. Kirchhoff Platz vorbei bis zur St. Jürgener Str. Das entspricht wohl ungefähr der gestrichelten Linie, die südlich des Kirchensteigs auf der o.g. Karte zu sehen ist.

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  4. Im Hintergrund sieht man ja die Betonbrücke. Die war die Verbindung vom Dr. Kirchhoffplatz zur Anstalt.
    Soviel ich weiß, kann man heute nicht mehr durch die Wurt von der St. Jürgener Straße zum Polierteich gehen, oder??:no:

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  5. Der Kirchensteig scheint dann also so nicht mehr zu existieren:'( Wir sind als Gören gerne da runter gerodelt. Unter der Betonbrücke mußten wir dann Schnee hinpacken. Dort trafen sich dann auch die Gören aus der Carsten- und Philipsenstraße. Die aus´m Moldeniter Weg rodelten lieber die Klensbyer Straße runter. Grund: Oftmals Gnatsch mit den Typen der vorhergenannten Straßen. Manchmal waren die stärker, manchmal wir;D Naja, vom Polierteich waren auch noch welche da! Es ging damals rau zu:>> Aber es wurde nie nachgetreten, wenn der Gegner aufgab!

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  6. Ob die Klensbyer Straße mit anliegendem Gelände auch WURT genannt wurde? Da bestehen bei mir doch gewisse Zweifel:yes:
    In der Kiesgrube haben wir fast täglich gespielt. Bei uns hieß sie nur “Sandkuhle”! Ich wohnte von meiner Geburt 1943 bis 1968 nur ca. 100 Meter davon entfernt (Moldeniter Weg 5 – 7). Oben am Rande der Sandkuhle war auf der einen Seite die Pferdekoppel der Anstalt, auf der anderen eine Wiese, die einem Bauern vom Gallberg gehörte. (Name: Callsen??? oder Kähler???)
    Es war eine tolle Gegend, mit einem mit Büschen bewachsenem Abhang, um Cowboy und Indianer zu spielen.
    Das ging alles den Bach runter, als das Känguruhviertel gebaut wurde.:'(

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  7. P.S.
    Mir ist eingefallen, wie wir das Stück der Klensbyer Str. von dem Haus des Lehrer Petersen oder des Hauses von Zahnarzt Riedel zum Moldeniter Weg nannten: Es war der REDDER.
    P.P.S.
    Was die Fairness beim Raufen betraf:
    Wir lasen ja damals so tolle Schmöker wie Billy Jenkins, Tom Prox oder Pete Summers, sahen Western mit Alan Ladd & Co. Die Helden waren immer frisch rasiert und hatten teilweise weiße Kostüme an, sehr sauber:)) nicht solche Ferkel, wie in den Italowestern.
    In den Filmen sah man kaum Blut. Die Aischen und Bösen starben durch die Kugeln des Helden ohne Blutverlust. Alles sehr EDEL. Und auch beim Boxen wurde doch immer, wenigstens auf der Seite des Guten, auf die Regeln geachtet. Das änderte sich erst Mitte der 60er, als Django mit seinem MG im Sarg durch den Matsch stapfte;D

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  8. Känguruhviertel waren die Häuserblocks am Brautsee in St. Jürgen.
    Ende der 50er Jahre wurden sie gebaut hauptsächlich für die Bundeswehrfamilien.
    Känguruh = kleiner Beutel, große Sprünge;D

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  9. Stimmt! Dann hab ich aber die Betonbrücke falsch eingezeichnet. Auf dieser Karte sieht man die Verbindung vom Dr. Kirchhoff-Platz über die Wurt hinweg (so wie du vorher schon gesagt hast, Norbert).

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  10. Von der St. Jürgener Straße konnte man die Betonbrücke sehen. Wie schon geschrieben, war sie die Verbindung vom Dr. Kirchhoff-Platz zur Anstalt.

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