Baustelle

Das Graukloster

Aus aktuellem Anlass (31. Januar 2011):
“…uns wurde gesagt, die Franziskaner, die früher im Graukloster lebten, seien ein Bettelorden gewesen, und deshalb wären üppige kulinarische Feste dort historisch unpassend…”
…erzählt der Erlebnispädagoge Jens Nielsen über seine Ideen, das Rathaus mit mittelalterlichen Festen zu beleben…

Admin…ja aber: “Über das Leben im Kloster wissen wir sehr wenig.”

“Am Ende des 15. Jahrh. befanden sich Gebäude und Bewohner, wie die Quellen berichten, in völlig verwahrlosten und ruinösem Zustand, die Paulskirche war Schauplatz unkeuscher und gewalttätiger Handlungen…”

Ja wat denn nu??? Zählen die frommen Franziskaner – oder die Lotterwirtschaft davor? Zählen die Nachfahren der Wikinger oder die Popen? Im Zweifel doch die Wikinger – schon von wegens dem Weltkulturerbe (in Anwartschaft)!!! :mrgreen:

Diese Karte (oben) soll die Basis für die “Forschungen” sein (gefunden in einer Veröffentlichung des Landesamts für Denkmalpflege, “Das Graukloster in Schleswig”, 1982)

Das Graue Kloster ist zunächst der erste Aufhänger.
Damit wegen der vielen Begriffe beim Admin nicht die Sicherungen durchbrennen, hat er das gegoogelte Rathaus mit Wegweisern versehen…


Aus der Klosterkirche St. Paul hatte man – dank dem alten Luther – schon 1530 ein Rathaus gemacht. 1793 wich der alte Behörden-Kirchen-Bau wegen Baufälligkeit dem neuen Rathaus.

Der Plan der Anlage im Jahr 1772, Unter- und Obergeschoss (ich habe mir erlaubt, die Zeichnungen “einzunorden”).


“Ein übler Scherz”, vermerkte der Chronist Ulrich Petersen, war es, ausgerechnet im Chor der ehemaligen Kirche (unten rechts auf beiden Fotos) die Wohnung des Scharfrichters mit Gefangenenzellen einzurichten. Im Erdgeschoss fanden außerdem Ratskeller, Ratswaage
und die Feuerspritze ihren Platz.

Hier gingen die Herren Franziskaner ein und aus…

“Landesamtliches Zitat”:
Über das Leben im Kloster wissen wir sehr wenig. Am Ende des 15. Jahrh. befanden sich Gebäude und Bewohner, wie die Quellen berichten, in völlig verwahrlosten und ruinösem Zustand, die Paulskirche war Schauplatz unkeuscher und gewalttätiger Handlungen. 1499 ließ Herzog Friedrich I. den Konvent, der nur noch aus zwei Brüdern und einem Konversen bestand, auflösen und durch die strengeren Franziskanerobservanten ersetzen.

Jetzt gucken wir uns das Ganze mal von Norden an:


Bis (mindestens) 1920 sieht man im Garten des Klosters noch diese beiden krummen und schiefen Knusperhäuschen, die frecherweise den Blick auf den Nordflügel des Klosters versperren (wer da wohl drin gewohnt hat?

Antwort: Präbendisten!).

Da kam dann wohl die Hacke und hat den Blick auf die Nordseite des Klosters frei gemacht. Halt! Bei der Begehung II. (im Bild v.l. Admin und Norbert) hat sich schon wieder ein Baum ins Bild gedrängelt… :roll:

Aus dem Buch “Die Kunstdenkmäler der Stadt Schleswig” (1985), das sich über das Graue Kloster auf 81 Seiten äußerst genau verbreitet, kann man entnehmen:

“Im 17. Jahrh. Fachwerkanbauten … sowie eines weiteren eingeschossigen Fachwerkgebäudes am äußeren Hof (vgl. Aufmaß von Rosenberg)”

In dem Aufmaß ist erkennbar, dass in dem Haus im äußeren Hof – wie auch im Haupgebäude – “Präbendisten” unterhalten wurden “von denen jeder eine kleine, aus zwei Kammern bestehende Wohnung erhielt. Anspruch auf eine Präbende hatten die sog. Hausarmen der Stadt, verarmte Bürger, die einst Häuser besessen und keine wieder erworben hatten”.

Hier ist das Präbendisten-Häuschen auch zu sehen (linke Seite) und hier auch.

Jetzt gucken wir mal vom Holmer Noor aus (also von Osten):



Im Super-Weitwinkel (ganz links) sehen wir die Ostseite des Klosters (dahinter der Dom wie eine Glucke). Das mittlere Foto zeigt die Ecke mit dem rückwärtigen Teil des Rathauses und (daneben) den “südlichen Teil” des Ostflügels.

Da braut sich etwas zusammen…

Da sind sie schon, die Kloster-Mauer-Marder. Zitat Landesamt für Denkmalpflege:

Haupt erklärte das Kloster zum frühesten Werk der Gotik im Lande und als solches “von
unschätzbarem Wert”. Leider drang diese Wertschätzung nicht allzu tief in das Bewußtsein der Öffentlichkeit, so daß es noch 1961 zu dem bedauerlichen Abbruch des am Innenhof gelegenen Teils des Ostflügels kommen konnte, bei dem ein bedeutender Rest der Ausmalung, eine Darstellung des Abendmahls, zerstört wurde.

Wir gewähren noch einen Blick auf die Gefängniszellen im Erdgeschoss, einen Raum im Obergeschoss und den mittelalterlichen Dachstuhl – kurz vor dem Abriss! :oops:

So wurde dann die Baulücke wieder geschlossen.

Rechts ein Blick von 1975

Noch kurz Fotos zu den “Innereien” des Klosters:

Zwei weitere Fotos vom Innenhof
und
ein Flur im Obergeschoss

Der “Gotische Saal”, eine Armenwohnung und die Stadtkasse, wo man die Hunde- und Grundsteuer loswerden kann! :roll:

Der letzte Mönch
Es ist ja schon viel über das Kloster geschrieben worden. Zuletzt, als es noch ein Kloster war, und nachdem fast alle nach Guldholm an den Langsee abgezogen waren, starben nach und nach die verbliebenen Mönche, bis nur noch einer übrig war.

Die Räume des Klosters waren staubig, kalt und leer.

Durch diese Räume irrte Franz, der letzte verbliebe Mönch. Er wusste nichts mehr über das lotterige Leben und die feuchten Feste, die einst in dem Kloster stattfanden. Er war dieses Lebens, wennn man es Leben nennen konnte, als junger Mann noch teilhaftig gewesen. Aber die Erinnerungen waren in seinem armen Gehirn in eine Ecke verbannt worden – auch für ihn unerreichbar.

Ältere schleswiger Bürgerinnen versorgten ihn noch mit dem Notwendigsten. Sie verwendeten dafür einen Blechteller und einen Krug, beide sind heute verschwunden. Es war wohl so, dass Franz dementes Zeugs unentwegt vor sich hin brabbelte. Die schleswiger Bürgerinnen und Bürger, die es liebten, gewisse Erscheinungen ins Mystische zu überhöhen, behaupteten, sein Gebrabbel wäre als Gebet zu deuten. Es soll sogar so gewesen sein, dass Brautpaare sich durch Franz “segnen” ließen.

Nach Franz’ Ableben soll es eine armselige “Prozession” zum Friedhof an der Ausfallstraße nach Husum (der heutigen Schubystraße mit dem “Knochenpark”) gegeben haben. Die Veranstalter der Beerdigung hatten einen alten Leiterwagen organisiert, auf dem sein einfacher Sarg von einem alten Klepper gezogen wurde.

Sein Grab blieb namenlos.

Das St. Johannis-Kloster

Das St. Johannis-Kloster

Hinter der Mauer befindet sich das Grab von C.G. Bellmann, dem Komponisten des Schleswig-Holstein-Liedes. Die Chemnitz-Bellmann-Loge kümmert sich um die Pflege des Grabes – in besonderem Maße nach der Sanierung der Friedhofsmauer (SN v. 5.7.2017).

(Lageplan aus: “Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Schleswig”)


“Das ehemalige Benediktinerinnenkloster St. Johannis … wurde vermutlich zwischen 1200 und 1230 gegründet”, heißt es es in dem Buch “Die Kunstdenkmäler der Stadt Schleswig”. Auf den Seiten 211 – 298 wird das Kloster
äußerst gründlich innen und außen beschrieben. Das “Klassentreffen” kann da nur einige Ansichtskarten zeigen – also die Sicht eines Spaziergängers, der auch mal kurz in die Klosterkirche hinein sieht.

“Wir” kennen das Kloster noch aus Schülerzeiten und haben uns den alten Gemäuern damals mehr oder weniger vorsichtig genähert. Einige von “uns” haben dort sogar gewohnt: Jochen Meyer (noch ein
junger Mann),Wolf-Dieter Sager und Karl Mügge – die kennen bzw. kannten sich dort natürlich besonders gut aus. Karl Mügge schrieb im Kommentar, dass auch unser alter Musiklehrer Möller am Kloster wohnte und auch Gerd Meyer, der sich ab und zu mal im “Klassentreffen” meldet.

Wir haben dann auch noch den ehemaligen Klostervogt Jan Egelkraut in der “Sammlung”, der auf dem linken Foto ganz links auf der Mauer sitzt; Benny kennt ihn als heutigen Spaziergänger in Schleswig.

Na ja, und die hochbetagte Priörin des Klosters, Henny von Schiller, kennt ja nun jeder, der ab und zu mal fernsieht. Sie ist auch Deputierte der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft…

Der Klostervogt Egelkraut wohnte also in Haus Nr. 8. Bitteschön, auf dem Foto links – das unten abgebildete Haus.

Nanu? Die Priörin hat ja die gleiche Anschrift! Haben damals Vogt und Priörin dasselbe Haus bewohnt? Nach dem Foto re. hat die Priörin früher aber im klösterlichen Amtshaus gewohnt. Na ok, dann ist sie wohl später in die Nr. 8 gezogen, nach dem der Vogt ausgezogen war! Wär ja noch schöner – eine Priörin mit einem Vogt – unter einem Dach!

Nanu? Zwei “neue” Fotos?

Jochen schreibt dazu: “Das Bild des noch stehenden Gebäudes ist ca. 1988 aufgenommen; das Foto re. zeigt mich (wohl 1995) im Gespräch mit Dr. Volker Vogel, für den ich seinerzeit archäologische Untersuchungen in der Altstadt durchführte.”

Admin: Das auf dem Plan un-nummerierte Abbruch-Haus liegt südlich unter der Nr. 6 (li. Foto, oben). Es wurde nach dem Abbruch in ähnlicher Form und ein paar Meter weiter westlich (lt. Jochen) neu aufgebaut.

Was haben wir denn noch so?
Klaus-Jürgen Teufert (lange nichts mehr von Dir gehört, Klaus-Jürgen?) – im Kinderwagen – wird 1941 in der Kirche des Klosters getauft.

Die Taufgesellschaft ist nach der Taufe “Am St. Johanniskloster” (re. Foto) zum Holm zurück gegangen.

So! Die Pension Berger wird jetzt einfach mal in diesen Häuser angesiedelt. Leider hat sich noch niemand im “Klassentreffen” gemeldet, der das bestätigt! :roll: In grauer Vorzeit hat dort mal ein Kollege vom Finanzamt gewohnt, der mit seiner jungen
Familie dringend eine Bleibe brauchte. Die Wohnungen waren (zumindest damals) klein, dunkel und feucht…

Nachtrag (23.1.2011): Lt. Grieben-Reiseführer Schleswig-Holstein Ost – verbesserter Nachdruck 1970, wird ein “Fremdenheim Berger” mit der Adresse St. Johanniskloster 8 ausgewiesen. Das wäre dann dieses Haus (untere Abbildung).

Wie wurde dieses Haus genutzt? Es liegt sozusagen versteckt hinter der Klosterkirche.
Text von der Webseite des Klosters: “Neben der Priörin bewohnen auch Familien, Ehepaare und Singles das Kloster. Mieteinnahmen und Erlöse aus Veranstaltungen dienen dem Unterhalt der 800 Jahre alten Klosteranlage.”

Davon wusste ich nichts:

Wohnungen im Kloster

Das Kloster mit seinen hellen, weißen Steinwänden ist wegen seiner grünen Umgebung und der Lage direkt an der Schlei ein besonders begehrter Wohnplatz. Obwohl es recht kühl und feucht in dem Gebäude ist, möchten die Bewohner ihr Zuhause nicht wechseln. Die 34 Wohnungen sind durch einen schmalen, noch aus dem Mittelalter stammenden Durchgang im Südflügel zu erreichen.

Die hübschen Eingangstüren liegen im “Schwahl” (von dän. sval), einem “kühlem, gedeckten Gang”, den die Bewohner mit Grünpflanzen und Blumen geschmückt haben. Zum Gang hin befindet sich auch eine Fensterfront, so dass teilweise ein Blick in eine der schnuckeligen Wohnungen möglich ist.

Zurzeit ist nur „Tante Henny“, wie Henny von Schiller von vielen genannt wird, hier adelig und jungfräulich. Die 26 Wohnungen des Klosters sind inzwischen von jungen Leuten mit Kindern und ein paar älteren Bewohnern belegt.

Das Hohe Tor

Das Hohe Tor

Friedrich Brandt, Das Hohe Tor vom Gallberg aus, Landesbibliothek Kiel (A27)
Ein Zitat aus einem Leserbrief von 1865 an die SN:

Schließlich muss ich noch erwähnen, dass ich sehr für die Conservierung hübscher Alterthümer bin, wenn sie Niemandem im Wege stehen, was beim Hohen Thor indeß nicht der Fall ist; deßhalb wünsche ich, daß es verschwinde und einer hübschen, breiten Straße Platz mache, welche die Passage nach dem großen Markt und der Altstadt sehr befördern wird…

Aus: “Die Lange Straße – Kind und Opfer des Verkehrs” in Heft 38 der “Beiträge zur Schleswiger Stadtgeschichte”

Wenn wir also mit unserer Kutsche von Angeln kommend den Gallberg herunter fuhren, kamen wir unter dem wachsamen Blick des Wächters durch das Hohe Tor in die Altstadt (vorher ging es noch linker Hand am Schmiedenhof vorbei).





Zunächst sehen wir das Hohe Tor nur mit Blickrichtung Rathaus – man sucht unwillkürlich nach dem Dom, der ja optisch sehr “aufdringlich” ist. Der Dom kam aber erst 1894 – da war das Hohe Tor längst abgerissen (1883). Kurz vor dem Tor unterquert der “Mühlenstrom” (links) die Lange Straße (der Blick geht in Richtung
Noor – die Eisenbahnbrücke denken wir uns weg).


Gleich nach der Tordurchfahrt kam man rechts in die Kälberstraße (die Schlachterei Rasch übersehen wir jetzt mal) und an der Ecke war die Torhalle – bei uns “Alten” noch bestens bekannt.


Wir sind jetzt in der Altstadt und drehen uns um – links vor dem Tor ist die Torhalle. Auf dem rechten Foto befinden wir uns am Kälberteich und sehen von dort aus das Hohe Tor.

Heinrich Philippsen hatte es 1923 noch nicht verknust, dass das Hohe Tor 1882 “leichten Herzens” niedergelegt wurde, ein Bauwerk, “um das es mit Recht von vielen Städten beneidet wurde”…”zumal kein Zeichen des Verfalls und der Altersschwäche wahrzunehmen war…”. Auch
als Ansichtskartenmotiv wurde das Hohe Tor noch nach dem Abriss verwendet…

…Als Beobachtungsturm diente das Tor bis in das 19. Jahrhundert hinein. Hier hielt ein Stadtdiener, dessen Wohnung sich im Turmgebäude befand, ständige Ausschau nach Feuerbränden, die er mit Läuten der im Turm hängenden Glocke der Stadtbevölkerung meldete. Außerdem hatte der Stadtmusikant mit seinen “Gesellen” die Pflicht, allabendlich von der Turmgalerie geistliche Abendlieder zu “intonieren” und alle Sonntage um die Mittagszeit “mit Zinken und Posaunen”, an hohen Feiertagen aber schon morgens um 4 Uhr und wieder zur Mittagszeit mit Trompeten “feierlich zu musizieren”…

Theo Christiansen breitet sich in “Schleswig 1836-1945” auf 4 Seiten ausführlich über die “kommunalpoltische Komödie” aus, die letztlich 1883 zum Abriss des Tores führte. Ich kann mir Vergleiche zu einem aktuellen, seit langer Zeit strittigen Thema nicht verkneifen… :roll:


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