Das hier ist jetzt der alte Eintrag vom April 2013:
Ich habe gerade die “Mitteilungen zur Schleswiger Stadtgeschichte” im Briefkasten gefunden. Diese sind nicht mit den wesentlich umfangreicheren “Beiträgen” zu verwechseln. In den “Mitteilungen” werden die Mitglieder über so etwas wie die kommende Jahreshauptversammlung, die verflossene Mitgliederversammlung, die Mitgliederentwicklung undgewesene und geplante Exkursionen informiert. Die “Mitteilungen” werden aber zusätzlich genutzt, um den einen oder anderen Beitrag der Leserschaft zu präsentieren.
Prof. Dr. Rainer Winkler schildert unter dem Titel “Die kombinierte und komplizierte Stadt Schleswig” seine Erinnerungen an Besuche in Schleswig. Es ist eine “Tour d’Horizon” durch Schleswig – allerdings ohne Illustrationen. Das möchte ich jetzt gerne – in Auszügen – mit Bildern des “Klassentreffens” nachholen. Wie üblich gehe ich mit heißer Nadel vor und schreibe “life”. Fertig!
Die kombinierte und komplizierte Stadt Schleswig
Von Rainer Winkler
als Lebensziel erstrebenswert fand, machte das Glück vollkommen… …Was das Kind verwirrte, war seine [Schleswigs] Stadtgestalt… Näherte man sich von Husum, so hatte man nach der langen Passage der Siedlungsbauten aus der Vorkriegszeit an der Hühnerhäuserkreuzung das Gefühl, nun fängt die Stadt, damals ungleich größer als Husum,
recht eigentlich an. Doch weit gefehlt. Kaum passiert, breitete sich zur Rechten ein größeres Waldstück aus, kein Park, sondern sondern richtiger Wald mitten in der Stadt, mit lieblicher Anemonenblüte im Frühjahr, die ich hier erstmalig so sah.
Über danach sich wieder locker verdichtende Bebauung fiel der Blick, Großes verheißend, auf Schloß Gottorf, weiter hangwärts auf die Schlei
und linker Hand auf die dominant gelegene Schleihalle, deren expressiver Baustil und exponierte Lage ihre Wirkungen auf das Kind nicht verfehlten.
Eher flüchtig nahm ich den damals so geschäftigen Lollfuß wahr – fing hier das eigentliche Schleswig an? Doch nein – der mächtige Bau des Domes lag weit links dahinten, und wo der Dom war, da musste die Stadtmitte sein.
…Also an der Schleihalle rechts ab und Schleswig wieder verlassend. Welch ein Irrtum! Schloss,
Regierungspalais (den Namen “roter Elefant” erfuhr ich erst später) und das imponierende Hotel im Prinzenpalais verwiesen auf Großes und dann kam tatsächlich noch die Stadt (aber wieso hier?),
eng, verwinkelt, vollgestopft trotz des damals nur geringen Verkehrs, doch eigentlich hatte ich mehr erwartet, nicht so etwas wie Husumer Neustadt.
Und die platzartige Erweiterung am Ende der Friedrichstraße hatte auch ein Rathaus, doch das war eine Schule. Und Schleswig war noch lange nicht zu Ende, doch jetzt hieß es Busdorf.
Wir sind später aber auch direkt zum Stadtbesuch nach Schleswig gefahren, über die große Einfallstraße an der Schlei, die auch heute noch weit davon entfernt ist, ein Prachtboulevard oder wenigstens eine Geschäftsstraße zu sein,
damals eine Industriebrache mit Güter- und Kleinbahnhof zur Rechten und der großen Fleischwarenfabrik von Rasch voraus,
irritierend mittendrin aber der von Kind an als düster abweisend empfundene Bau der Domschule, irritierend ob des gleichwohl unverkennbaren architektonischen Anspruchs inmitten einer städtbaulichen Ödnis (welche Stadt verfügt über so prominent gelegene
und stadtbildprägende Schulbauten wie Schleswig, deren architektonische Qualitäten ich aber erst viel später schätzen lernte). Wir mussten uns verfahren haben! Doch nein, unübersehbar lag rechter Hand der Dom, also war da die Mitte. Ist sie, aber nur irgendwie,
denn auch mit Marktplatz und abseits gelegenem Rathaus – in einer Abgeschiedenheit, die das Kind erstaunt vermerkte.
Und dahinter kam noch einmal eine kleine Stadt, deren Idylle mir schon damals auffiel, doch war dies Schleswig?
Von einer Stadt seiner Größe erwartete ich Geschäftigkeit, und die fanden wir schließlich doch noch. Wir hätten nur früher abbiegen müssen, unten am Lollfuß.
Doch was für eine Geschäftigkeit! Größer und vielfältiger zwar, als wir dies von Husum kannten, doch wühlig eng auf viel zu schmalen Bürgersteigen, mit sich durchquälender Blechlawine und vor allem – schier endlos lang, so lang, dass, hatte man am Anfang
etwas entdeckt, desser Erwerb man in Erwägung zog, die Absicht am Ende aufgegeben wurde, da man den Rückweg scheute. Und sie endete auch nicht am Marktplatz, wie ich dies von einer Hauptgeschäftsstraße erwartete, sondern – wie ich heute weiß – gleichsam vor den Toren der Stadt am Gallberg.
…Die hinreißende Lage Schleswigs wurde mir richtig bewusst anlässlich eines Sportfestes im Alleestation: der grandiose Rundblick von der balkonartigen Terrasse am Chemnitz-Bellmann-Denkmal vom Schloss über die Schützenkoppel, den langgezogenen
Dächergürtel der Stadt im Tale um die innere Schleibucht zum Dom mit den verblauenden Hüttener Bergen im Hintergrund und – ganz zur Linken – als eigentliche Stadtkrone, aufragend, als wollte sie in den Himmel entschwegen, die leider nicht mehr vorhandene Michaeliskirche. Ihr Fehlen schmerzt noch heute, auch wenn der Nachfolgebau architektonisch und funktional
durchaus sehr gelungen ist. …Unsere erste Klassenreise führte uns in der Untertertia nach Borgwedel. Natürlich stand auch “Gottorf” auf dem Programm. In Erinnerung geblieben sind die Schlossräume, das Nydamboot natürlich auch die Moorleichen…
So erinnert sich Ingo Greggers an Schleswig:
Vielen Dank, Gerd, für den schönen Bericht und die Unterfütterung mit den Postkarten.
Ich wohnte zwar “auf dem Balkon” in der Chemnitzstraße (unteres Ende Nahe der Allee) – also ziemlich “zentral” bezogen auf die Länge Schleswigs; aber diese “Zerfleddertheit” der Stadt ging mir als Schüler “auf den Keks”; sei es, ich musste jemanden vom Bahnhof abholen, oder ich wollte ins Kino (Friedrichsberger Lichtspiele), oder ich musste zur Weihnachtsfeier der AWO in den Baumhof, Geigenunterricht – und auch mal Mathe-Nachhilfe – hatte ich in der Klosterhofer Straße, der Knabenchor des Männergesangvereins von 1839 (ich war dort Mitglied 1952/53) probte in der Gallbergschule, zweimal die Woche ging ich zur Laienspielgruppe auf die Schloßinsel, die Proben des Domchores fanden am Dom statt und meine erste Freundin wohnte im Dannewerkredder; nun, zumindest hatte ich einen kurzen Schulweg zur Domschule… im Gegensatz zu meinem Vater, denn meine Großeltern wohnten Am Karpfenteich jenseits der Bahn (im Winter kürzte er den Schulweg durch eine Schlittschuhfahrt über die Schlei ab).
Am besten dürfte ich diese Situation mal persönlich zusammenfassen:
Anlässlich ihrer zweiten Lehrerprüfung, ich war dann 3. Klasse Wilhelminenschule (1952), hielt Frl. Dibbern eine Heimatkundestunde; fast jedem der damals 42 Schüler war eingeimpft worden, auf ein bestimmtes Stichwort hin sich zu melden und einen gelernten Spruch aufzusagen, und Klein-Ingo durfte dann auf die Frage “wie liegt denn Schleswig an der Schlei?” aufspringen und sagen:
so hat sich Schleswig, Stadt und Burg,
wohl an den Rand der Schlei gefüget.”
Rainer Pose: Was Ingo schreibt, entspricht auch meinem Eindruck von dieser Stadt. Hat es uns aber damals gestört? Ich sage nein, es war halt so. Heute fallen die Entfernungen den Kindern kaum noch auf, sie werden “kutschiert”. Vieles ist eine Selbstverständlichkeit für sie. Aber für uns? Ich wohnte in der Schubystraße gegenüber dem Wasserturm. Dom- und Wilhelminenschule waren max 15 min., aber wie auch gesagt, Friedrichsberger Lichtspiele, Bahnhof, Postamt für Nachnahmen (Bahnhofsstr.) und die erste Freundin, auch in der Bahnhofstraße. Sicherlich waren meine Schuhe häufiger beim Schuhmacher als heute, aber missen möchte ich die Zeit nicht. Dieses teilweise stramme Laufen oder zügiges Radfahren war gesund. Ingo, an diesen Spruch bei Frl. Dibbern meine ich mich dunkel erinnern zu können, klarer sind Deine Auftritte mit der Violine.
Ingo Greggers: Bezüglich “meines” Spruches sei hier festzuhalten – in seiner vollen Länge lautet er:
Wie eine Fleischwurst lang und schmal am Rande einer Schüssel lieget,
So hat auch Sleswig, Stadt und Burg, sich an den Strand der Sley verfüget;
Zu laufen, rennen hin und her muß einer unverdrossen seyn,
Doch ist die Hoffnung zum Gewinn bei meiner Treu verteufelt klein.
Dies schrieb Ulrich Petersen (1656 – 1735); nachzulesen in:
Kutzer, Horst (Hrsg), Schleswig – Ein Lesebuch, Husum Verlag 1985,
S.13
Admin: das Titelfoto dieses Eintrags soll auf die Möweninsel hinweisen, die in diesem Eintrag sträflich vernachlässigt wurde… Und hier (ist nur ein kleiner Beitrag zum Thema) ist der Schulweg des Admin’s (immer auf den liegenden Domturm klicken…)
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Moin Gerd,
was für eine wundervolle Idee mal wieder von Dir….diesen Bericht mit deinen zahlreichen Fotos zu bereichern!
Ich bin, wie so oft, wirklich fasziniert davon, wie du dein gesammeltes “Material” auf immer wieder neue und spannende Weise zusammenstellt, verlinkst und die diversen Beiträge miteinander verwebst.
Das muss auch einfach mal gesagt werden….
Danke Silke!
Vielen Dank, Gerd, für den schönen Bericht und die Unterfütterung mit den Postkarten.
Ich wohnte zwar “auf dem Balkon” in der Chemnitzstraße (unteres Ende Nahe der Allee) – also ziemlich “zentral” bezogen auf die Länge Schleswigs; aber diese “Zerfleddertheit” der Stadt ging mir als Schüler “auf den Keks”; sei es, ich musste jemanden vom Bahnhof abholen, oder ich wollte ins Kino (Friedrichsberger Lichtspiele), oder ich musste zur Weihnachtsfeier der AWO in den Baumhof, Geigenunterricht – und auch mal Mathe-Nachhilfe – hatte ich in der Klosterhofer Straße, der Knabenchor des Männergesangvereins von 1839 (ich war dort Mitglied 1952/53) probte in der Gallbergschule, zweimal die Woche ging ich zur Laienspielgruppe auf die Schloßinsel, die Proben des Domchores fanden am Dom statt und meine erste Freundin wohnte im Dannewerkredder; nun, zumindest hatte ich einen kurzen Schulweg zur Domschule…. im Gegensatz zu meinem Vater, denn meine Großeltern wohnten Am Karpfenteich jenseits der Bahn. (im Winter kürzte er den Schulweg durch eine Schlittschuhfahrt ab er die Schglei ab.)
Am besten durfte ich diese Situation mal persönlich zusammenfassen.
Anlässlich ihrer zweiten Lehrerprüfung, ich war dann 3.Klasse Wilhelminenschule (1952) , hielt Frl Dibbern eine Heimatkundestunde; fast jedem der damals 42 Schüler war eingeimpft worden, auf ein bestimmtes Stichwort hin sich zu melden und einen gelernten Spruch aufzusagen, und Klein-Ingo durfte dann auf die Frage “wie liegt denn Schleswig an der Schlei?” aufspringen und sagen:
“Wie eine Fleischwurst lang und schmal am Rande einer Schüssel lieget, so hat sich Schleswig, Stadt und Burg, wohl an den Rand der Schlei gefüget.”
…..Moin Herr Greggers,
hatte ihre Mutter etwas mit dem Hausfrauenbund zu tun?
LG aus der Chemnitzstraße
Meine Mutter hatte die Hausfrauenbundsmitgliedsnummer 14 in Schleswig, sie ist also 1949 Gründungsmitglied gewesen ; sie war Nachfolgerin von Frau Maaß als Vorsitzende des “Schleswiger Hausfrauenbundes” und hat den “Verein” ca 25 Jahre geleitet.
.meine ich doch.
Habe sie mal als kleiner Stepke bei Else Maaß in der Schleistraße kennengelernt.
Hallo Ingo Greggers, wenn ich so indiskret sein darf – dann ist Ute Kollek Ihre Schwester ?
Ja,
Was Ingo schreibt entspricht auch meinem Eindruck von dieser Stadt. Hat es uns aber damals gestört? Ich sage nein, es war halt so. Heute fallen die Entfernungen den Kindern kaum noch auf, sie werden “kutschiert”. Vieles ist eine Selbstverständlichkeit für sie. Aber für uns? Ich wohnte in der Schubystr. gegenüber dem Wasserturm. Dom- und Wilhelminenschule waren max 15 min., aber wie auch gesagt, Friedrichsberger Lichtspiele, Bahnhof, Postamt für Nachnahmen (Bahnhofsstr.) und die erste Freundin, auch in der Bahnhofsstr.
Sicherlich waren meine Schuhe häufiger beim Schuhmacher als heute, aber missen möchte ich die Zeit nicht. Dieses teiweise stramme Laufen oder zügiges Radfahren war gesund.
Ingo, an diesen Spruch bei Frl. Dibbern meine ich mich dunkel erinnern zu können, klarer sind Deine Auftritte mit der Violine.
Die Sonne des späten Nachmittages küßt Köln
Ich war in Langenhagen über drei Jahrzehnte Studienrat an der hiesigen IGS; eine Gruppe von Kollegen machte regelmäßig Vier-Wochen-Radfahrten durch Deutschland in den Sommerferien; so kamen sie auch nach Schleswig und blieben dort mehrere Tage (ich hatte sie vorher geimpft, was es dort und in der Umgebung bis rauf nach Arnis/Maasholm zu sehen gab).
Kommentar der Kollegen nach der Fahrt: “Ingo, dass du dieses idyllische und so wunderschön gelegene Schleswig mit Langenhagen eintauschen konntest, das werden wir wohl nie verstehen.”
Ingo, da hat Dir Frl. Dibbern einen bis heute tiefverwurzelten Text zur Beantwortung der Frage eingeimpft. Ich war auch vor einiger Zeit mit Freunden in Schleswig, sie waren begeistert von dieser Stadt an der Schlei!!!”
Vielleicht wissen wir ehemalige “Einheimische”, jetzige “buten Schleswiger” (richtig geschrieben?) garnicht, was für ein Juwel dort nahe der dänischen Grenze existiert.
Der Abendsonnenschein in Köln dauernd an.
Bezüglich “meines” Spruches sei hier festzuhalten:
In seiner vollen Länge lautet er:
Wie eine Fleischwurst lang und schmal am Rande einer Schüssel lieget,
So hat auch Sleswig, Stadt und Burg, sich an den Strand der Sley verfüget;
Zu laufen, rennen hin und her muß einer unverdrossen seyn,
Doch ist die Hoffnung zum Gewinn bei meiner Treu verteufelt klein.
Dies schrieb Ulrich Petersen (1656 – 1735); nachzulesen in:
Kutzer, Horst (Hrsg), Schleswig – Ein Lesebuch, Husum Verlag 1985,
S.13