1965 – ein ganz normaler Sonntag in Schleswig

Jägermeister und Bier, und das reichlich! Irgendwann war ich auf Touren und habe die Mädchen angequatscht. Leider war es dann schon fast zwölf und irgenwann waren keine Mädchen mehr übrig.

Die Rückfahrt mit meiner alten 300er BMW Isetta von Hansens Gasthof in Silberstedt zur Angelner Straße war nicht das Problem. Die Ausleuchtung der Chaussee war mit nur einem funkionierenden Scheinwerfer nicht so dolle, aber mit einem zugekniffenem Auge und etwas Glück ging alles reibungslos. Die Angelner
Straße hatte reichlich Parkplätze.

Mit dem Einfachschlüssel war die Tür zu Nr. 11 nur mit entsprechenden Geräuschen zu öffnen. Vielleicht war ich auch etwas lauter als sonst und die Nacht war still. Als ich im kleinen Flur stand, kam von oben erwartungsgemäß “Geeeeeeerd?”. Ja wer denn sonst! Unwirsch brummte ich irgend
Etwas. Diese Warterei auf das heimkehrende Kind hatte meine Mutter von ihrer Mutter, meiner Oma von St. Jürgen, übernommen. Ätzend!

Treppe hoch, Klamotten runter und Plumpsen ins Bett waren eins. Meine kleine Kammer hatte mein Vater dem kleinen Raum vor dem elterlichen Schlafzimmer abgetrotzt. Seit meine Schwester mit ihrem Luftwaffensoldaten aus Jagel und einem Baby in der Berliner Straße wohnte, hatte ich zu Hause etwas mehr
Freiheit. Immerhin.

Unter der Woche war das Finanzamt angesagt. Wie schon zu Mittelschulzeiten Angelner Straße rechts rum in die Schubystraße bis zum Hohenzollern, Moltkestraße, Bellmannstraße – manchmal hörte man Krach von Jürgen Drews’ Band aus einem Keller –
dann nicht links hoch zur Bruno-Lorenzen-Schule sondern geradeaus zum Finanzamt.

Aus mir wurde also kein Fernsehtechniker, der seine Lehre im ZOB bei der Debeka beinahe abgebrochen hätte. Die Debeka war eine Versicherung mit knapp zwanzig Leuten, die alles noch im Handbetrieb machten. Außer einer Frankiermaschine, Diktiergeräten und einigen
elektrischen Schreibmaschinen gab es noch keine moderne Technik. Ach ja, ein paar Addiermaschinen waren wohl auch noch da. Schön war mal ein Betriebsausflug mit der Wappen von Schleswig nach Kappeln und Schleimünde. Ansonsten Schwamm drüber. Ein Schicksal als Klinkenputzer, um Versicherungsverträge an den Mann zu bringen, blieb mir erspart.

Das Finanzamt war besser für das Ego. Als Anwärter war man zwar noch in der Ausbildung, aber man dachte schon “hoheitlich”. Man wusste schon, wieviel Kohle ein Chefarzt verdient, dass die Geschäfte im Stadtweg noch schwer Geld scheffelten und
welche Schleswiger Firmen regelmäßig Besuch vom Vollzieher bekamen.

Ansonsten ging alles seinen geregelten Gang. Am Wochenende, wie gesagt, manchmal Schwoof in Silberstedt und der feste Schlaf des Angetrunkenen in der Angelner Straße. Morgen früh war die Schlei dran.



Ich hatte einen Klepper T8 im Bootsschuppen von Ahoi liegen. Meine Oma war so nett gewesen, mir dieses schöne Paddelboot zu finanzieren und mein Opa hatte nichts dagegen einzuwenden. Sie sahen in mir einen Ersatz für ihren gefallenen Sohn Hans und investierten für mich so manche sauer ersparte Mark.
Warum sollte ich etwas dagegen haben? Dass meine Schwester weniger profitierte, störte mich nicht.

Noch ziemlich früh ging es runter zu den Bootshäusern. Ich durfte im Sommer in der ansonsten leeren Bootshalle des Ahoi-Clubs meinen Klepper lagern. Für meinen Onkel war es ein Leichtes gewesen, das zu arrangieren. Er gehörte zum Ahoi-Uradel und beschipperte
mit immer größer werdenden Motorbooten die Schlei – meistens bis Missunde. Seine beiden Söhne bekamen Segeln auf der Schlei schon als Kinder mit. Ich begnügte mich mit meinem Paddelboot. Das Teil war nicht gerade leicht. Aber ich brachte es auch ohne fremde Hilfe mit kleinen Trippelschritten, das Boot seitlich gepackt, ins Wasser.

Wer Schleswig und die Schlei kennt, weiß, dass es nur ein Klacks ist, mal schnell zum Noor rüber zu paddeln. Ob nun zwischen Königswiesen und Möveninsel oder außen herum zur Durchfahrt am Campingplatz Haddeby, war ziemlich egal.

Das Wetter war für Paddler ideal. Der Dunst über dem Wasser hatte sich verzogen. Die Sonne wurde schon warm. Das Wasser des Noores plätscherte leise an die Gummihaut. Zeit, das Paddel quer über den leeren Vordersitz zu legen und sich treiben zu lassen. Herrlich!

Aber der Mensch, besonders wohl der junge Mensch, und speziell ein gerade volljähriger junger Mann, denkt mindestens alle 10 Minuten an Sex – das weiß man. Statt also mit lyrischer Kraft das herrliche Ambiente des Haddebyer Noores auf sich einwirken zu lassen, kam ständig das blonde Mädchen ins Spiel, das fiktiv auf dem
Vordersitz saß. Im Bikini. Wer mal ein junger Mann in diesem Alter gewesen ist, kann sich vielleicht denken, welche Situationen vorstellbar gewesen wären – mit Mädchen!

Warum ich keins hatte? Ich weiß es nicht. Weitere Fragen diesbezüglich werden nicht beantwortet. Ist ja auch nicht interessant.

Landgang, Kekse essen und ein kleiner Spaziergang war an der Schmalstelle zwischen den Nooren angesagt. In der Nähe plantschten Kinder im Wasser.

Später bewölkte es sich, der Wind frischte auf, die Wellen wurden kräuseliger. Rückfahrt. Wie immer kam der Wind von vorne. Und nach der Fahrt durch die Straßenbrücke auf der Fahrdorfer Seite kam die Schlei mit ihren kabbeligen Wellen. Plötzlich war alles düster. Erste Tropfen pladderten auf das
Segeltuch und in das Boot. Man brauchte nun schon etwas Knöf um damit fertig zu werden. Aber die Kraft hatte ich schon, und auch keine Angst.

Am frühen Nachmittag war das Paddelboot dann wieder warm und trocken im Bootschuppen und ich kehrte leicht durchnässt und etwas abgekämpft und halbwegs zufrieden wieder in die Angelner Straße zurück.

Was machte man in Schleswig, ohne Mädchen, in der Angelner Straße, an einem Sonntagabend? Das war die Frage.

Buuuuuh:
Nun wollte ich mal so schön ablästern (hatte heute morgen keine Zeit) und dann nimmst du dein “Outing” als gerade mündig gewordener Aloholiker, mit bestimmt > 1,5 Promille autofahrender (auch wenn es nur `ne Isetta mit kaputtem Scheinwerfer war) und nur an Sex denkender, aber erfolgloser Mädchenanmacher aus´m Netz.
Wolltest du deine “lieben Kleinen” vor der Unmoral ihres Vaters in jungen Jahren bewahren oder hast du deinem dir angetrautem Weib vorher dies verschwiegen??? (Als moraltriefender Held dastehen?)
Aber glaub mir: Das ist schon verjährt! :mgreen: Wer noch nie so ´n Bullshit in jungen Jahren gebaut hat, hat üürgendwas verpasst!!!!
Hol di stief!
Nordbär (Norbert)

Admin: Nach dieser mitfühlenden Mail von Norbert, habe ich den Eintrag wieder scharf geschaltet…

1.252 Ansichten

5 Gedanken zu „1965 – ein ganz normaler Sonntag in Schleswig“

  1. Armer 1965er, vielleicht ist man sich ja unbekannterweise damals über den Weg gelaufen, wenngleich .. – nee, da waren doch andere Interessen !

    Aber im Ernst: eigentlich hatten wir im Klassentreffen doch ein Luftbild von Hansens
    Gasthof in Silberstedt (das obige Foto geht ja mehr in Richtung Hotel Schimmelreiter).

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  2. Moin Torsten,

    du warst doch 1965 jünger, oder? :-P
    Also ich glaub’ dass es damals der spätere Schimmelreiter war. Könnte es sein, dass der Schuppen “Greves Gasthof” hieß? Dann ändere ich das.

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