Führer durch Schleswig und Umgebung von 1887

Ich habe einen Schleswig-Führer von 1887 ergattert. Links und oben sind schon mal Scans der Titelseite und der Seiten 2 – 5 veröffentlicht. Weitere werden folgen…

Stolz wie Oskar, verweise ich hier auf den Stadtplan von 1887 und auf zwei Ausschnitte aus einer Dänemark- und einer Eisenbahnkarte – beide aus dem Führer.

Damals gab es nur die Schleswig-Angler Eisenbahn bis Süderbrarup, den Dom ohne Turm, eine Idioten- und eine Irrenanstalt usw. usw.. Heute sind die Insassen der genannten Anstalten im Rathaus und Kreishaus, könnte man denken… 8-O

Ich werde diesen Eintrag nach und nach mit Texten aus dem Reiseführer und dazu (mehr oder weniger) passenden Bildern anreichern… (falls auf Fotos der Domturm (1895), Autos, unpassende Fahnen oder Schienen der Straßenbahn (Pferdebahn seit 1890) zu sehen sein sollten – bitte wegdenken…) :oops:

…und noch etwas: der Führer meint mit “Lollfuss” den gleichnamigen Stadtteil – nicht die Straße…

Geschichliches:

1802. Das Tabakrauchen auf der Gasse ohne Unterschied des Standes bei 2 Thaler Strafe untersagt.
1848. Ostern. Schlacht bei Schleswig.
1864. Febr. Einzug der Oesterreicher.

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Als Hauptstadt der Provinz ist Schleswig der Sitz des Königl. Oberpräsidiums, der Königl. Regierung des Regierungsbezirks Schleswig (umfassend die ganze Provinz Schleswig-Holstein),

des Provinzialschulkollegiums, Versammlungsort der Provinzialstände etc.

Schleswig ist ferner Sitz des Landrathsamtes [Admin: nach der dem Führer beigefügten Karte ist das Landratsamt der “Plessenhof” (Nr. 25) – stimmt das?] für den Kreis Schleswig,

Garnisonsort für das Schleswig-Holst. Husaren-Regiment Kaiser Franz Joseph, König von Ungarn Nr. 16 und das
Füsilier-Bataillon des Schlesw. Infanterie Regiments Nr. 84 nebst Regimentsstab.

In dem Bezirk der Stadt befinden sich die wichtigsten provinziellen Institute, die grossartige Provinzial-Irrenanstalt,
die Provinzial-Taubstummen-Anstalt und eine Idiotenanstalt.

Unter den Schulen sind hervorzuheben:
Das kgl. Gymnasium und Real-Pro-Gymnasium (Direktor: Hofrath Dr. Gidionsen – belegen auf dem Dom-Ziegelhof) ein Lehrerinnen-Seminar
verbunden mit einer höheren Töchterschule (Vorsteherin Frl. Zupke – belegen im Lollfuss), eine zweite höhere Töchterschule (Vorsteherin Frl. Bittorf – Stadtweg), eine obligatorische Gewerbe-Fortbildungsschule (Domziegelhof).

Verkehrsverhältnissse und Aufenthalt.

Die an der Station Schleswig (= Friedrichsberg) ankommenden Züge der Hauptbahn haben Anschluss an die Züge der Schleibahn, welche an der Schlei entlang, mitten in die Altstadt hineinfahren mit verschiedenen Haltestellen, beim Regierungsgebäude, bei der “Schleihalle” (Anfang des Lollfuss),

bis zum “Angler Bahnhof” (Bahnhof der Schleswig-Angler Eisenbahn-Station (S. 17), wo Gepäckträger zu haben sind. Man kann auf allen Hauptstationen der Hauptbahn Billets nach Schleswig-Altstadt bekommen, mit einem Zuschlagspreis von 30 Pf. für II. und 20 Pf. für III. Classe.

Ausserdem: Regelmässige Omnibusverbindung vom Haupbahnhof nach der Altstadt 30 Pf. à Person, 10 Pf. für das Stück Gepäck.
2 Postämter: Hauptpost und Telegraphenamt im Lollfuss, Postamt II im Gebäude des Haupbahnhofs im Friedrichsberg.

Hotels und Gasthäuser:

Im Friedrichsberg.
Bahnhofshôtel (Kistenmacher), Tams Hôtel (Grell), Lars Andersens Gasthof.

Am Gottorffer Damm.
Köster’s Hôtel (Wirth Köster) (in der Nähe des Regierungsgebäudes), Süverkrübbes Gasthaus (Petersen).

Im Lollfuss.
Hôtel Stadt Hamburg (Esselbach) (wird von den Honoratioren der Provinz, hohen Militärs und Beamten gern als Absteigequartier benutzt), Dehns Gasthof zur “Stadt Kiel”, Gasthof
zum holsteinischen Hause
(Gundel),

Gasthaus zur Stadt Flensburg (Horn)

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In der Altstadt.
Ravens Hôtel am Stadtweg, wie “Stadt Hamburg“, viel besuchtes Hôtel ersten Ranges, Gasthaus zur “Thorhalle” (Petersen),

Gasthaus zum landwirthschaftlichen Hause (Christophersen), Kiene’s, Leckband’s, Regelsen’s und Klinker’s Gasthaus.

Speciell für Sommergäste.

Badeetablissement Haddebye (Gastwirth Tams), jenseits und unmittelbar an der Schlei, mit Park und anstossendem Buchen- und Eichengehölz, von wo aus prächtiges Landschaftspanorama, mit Schleswig verbunden durch Dampfschiffs- und Bootfahrt;
Badekarren, volle Pension pro Tag und Person 3 M.

Stampfmühle. (Wirth Hôtelbesitzer Köster) Sommer-Etablissement am Thiergarten reizend gelegen,

Restaurationen, ausser in den verschiedenen Hôtels und Gasthäusern:

Schleihalle am Gottorfer Damm, der Stadt gehörig, hiesige und fremde Biere, Restauration à la carte zu jeder Tageszeit, (Wirth C. Nissen jun.)

Im Lollfuss.

C. Nissen’s Bierlocal (Wirth C. Nissen sen.), hiesige und fremde Biere wie kalte Küche, “Reichshalle” (Wirth F. Karstensen) hiesige und fremde Biere, Mittagstisch und Restauration à la carte, Bellevue (P. Schütt), Voigt, (Bier-
und Frühstückslokal mit Delikatessenhandlung verbunden).

In der Altstadt.

Börsenkeller (A. Pegeler) Ravens Hotel gegenüber, hiesige und fremde Biere, Mittagstisch und à la carte zu jeder Tageszeit, Englischer Keller (A. Müsch) hiesige und fremde Biere, Rathauskeller (Wilhelmsen), Grosser
Baumhof am Gallberg
etc.

Ausserhalb der Stadt.

Im Thiergarten, ausser der Stampfmühle, die Waldmühle, (Gastwirth Valentin) und tiefer in den Wald hinein die Ziegelei (Gastwirthschaft). In den Hühnerhäusern der Trichter (Beller).

Sonstiges.

Bäder: Dianabad am Stadtweg, warme und alle Arten medicinischer Bäder; im Friedrichsberg eventuell warmes Bad bei Klempner Garff, VIII Q. 19 a. Schleibäder: Im Lollfuss bei Fischer, an der Freiheit vor dem Sct.
Johanniskloster bei Kock, im Friedrichsberg bei Lorenzen auf Kleinberg.

Aerzte: Kreisphysicus Dr. Ernst Suadicani, Lollfuss, ferner in der Altstadt: Dr. F. Sager, Sanitätsrath Dr. Witt und Dr. C. Neuber, im Lollfuss: Geheimer Sanitätsrath Dr. C. Suadicani und Dr. Emil Suadicani, im Friedrichsberg: Dr. J. Clausen und Dr. Wieck.

3 Apotheken. In der Altstadt auf dem grossen Markt Ingwersen; im Lollfuss, Hofapotheke Dr. Warnecke und im Friedrichsberg (Babin).

Zeitung:Schleswiger Nachrichten” (seit 1811), erscheinen täglich Abends mit direkten telegraphischen Nachrichten (Redaktion und Expedition am Stadtweg 34/35. Redakteur: A. Leonhard).

Buchhandlungen:
 
 
 
mit Leihbibliotheken und Lesezirkel verbunden: Julius Bergas und Joh. Schroedter & Co.

Schleswiger Rhederei: 5 Dampfschiffe, 2 Segelschiffe, 1 Flussschiff.

Buchdruckereien. In der Altstadt: Buchdruckerei der Schleswiger Nachrichten (M. Johannsen) und Douglas. Im Lollfuss: Julius Bergas, Buchdruckerei des Taubstummeninstituts (Druck des Kirchengesangbuchs). Im Friedrichsberg: F. Johannsen (Druck des Regierungs-Amtsblatts).

Unterhaltung.

Musik. Sehr oft Concerte der Capelle des Infanterie-Regiments Nr. 84 (Kapellmeister Fiedler) und der Husarenkapelle auf der Stampfmühle, auf Bellevue, im Bahnhofshôtel etc. Im Winter grosse Vocal- und Instrumental-Konzerte des Musikvereins.

Theater: auf Bellevue bei wechselnden Gesellschaften; im Sommer Operetten etc.

Vereine: 5 Gesangvereine, der älteste: “Schleswiger Gesangverein”, 1839 gegründet besitzt eine prachtvolle Fahne von historischem Werthe, welche 1845 die Prinzessinnen von Augustenburg dem Verein schenkten und die seit 1848 verborgen gehalten und erst 1864 wieder entfaltet wurde.

Eigenartig die Schützengilden, die Altstädter und die Lollfusser, welche alle 3 Jahre im Juli ihre achttägigen Feste feiern, die wegen ihrer ungebundenen Fröhlichkeit und Originalität auch Fremde anziehen. Die Kosten werden aus den Revenuen des den Gilden
gehörenden Landes bestritten. Die älteste ist die Altstädter, welche als ihren Patron Knud Laward (ermordet 1131) verehrt. Die Altstädter feiert auf der “Freiheit”, die Lollfusser auf der Schützenkoppel oberhalb des Lollfusses ihr Fest.

Sehenswürdigkeiten.

Im Friedrichsberg. Neben der vom Hauptbahnhof führenden Bahnhofsstrasse steigt links der “Erdbeerenberg”, eine 28 m hohe Anhöhe auf. Von dort prächtiger Ausblick über Stadt und Meerbusen. (Man geht einen an der Front eines Schulgebäudes vorbei führenden Fusssteig
hinauf.) Auf der Spitze der Höhe die Holzschnitzschule des Malers Magnussen, mit manchen sehenswerthen Kunstschätzen und herrlichem Rundblick.

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Friedrichsberger (Dreifaltigkeits)-Kirche. Auf dem Kirchhofe das Grab von 111 Dänen und Preussen, die 1848 bei Schleswig gefallen sind. Das 2 1/2 m hohe eiserne Denkmal für die deutschen Krieger mehrmals von schänderischer Hand umgeworfen, ist jetzt an der Kirche befestigt.

Eine ausgezeichnete Aussicht auf Stadt um Umgebung hat man von dem hochliegenden neuen Friedrichsberger Friedhofe, zu welchem man gelangt, wenn man die Straße “Husumerbaum” hinaus und auf der Höhe links durch die Friedhofspforte geht. (Aussicht ab besten am hellen Nachmittage.)

Am Südende von Friedrichsberg, auf dem Friedrichsplatz, unmittelbar am Ufer des Busdorfer Teichs und in der Nähe des “neuen Bürgerstifts von 1864” eine Dänische Denksäule.

Die Provinzialtaubstummenanstalt (gegenüber der Friedrichsberger Kirche an der Hauptstrasse) unter Leitung des Direktors Engelke. Ein Musterinstitut, besteht aus 2 Anstalten, Anstalt I im Friedrichsberg, für weniger bildungsfähige Kinder mit ca. 70 internen Zöglingen und 10
Lehrkräften, Anstalt II (ein neues Gebäude in der Altstadt) (S. 13) für Bildungsfähige, die bis zur Möglichkeit der sprachlichen Unterhaltung mit Vollsinnigen herangebildet werden, mit ca. 80 Schülern, die in Familien untergebracht sind und 7 Lehrkräften.

Das Prinzenpalais, vor welchem an der dahinführenden Brücke eine Gedenktafel zum Andenken an den Hauptmann v. Normann und Prem.-Lieutenant v. Berg, gefallen 1848 durch ein und dieselbe Kanonenkugel.

Gegenüber die Amtswohnung des Vice-Präsidenten der Königl. Regierung, früher ebenfalls ein adeliger Sitz, später Amtshaus und

das grossartige Oberpräsidial- und Regierungsgebäude. Das Innere in einigen Haupträumen sehenswert und, zumal an Wochentagen leicht zugänglich. Man wende sich an den Regierungsboten.

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Im Lollfuss, wohin man, vom Schloss zurückkehrend an der Schleihalle und Stadt Hamburg vorbei gelangt, sind noch bemerkenswerth: das Amtsgerichtsgebäude, früher ebenfalls ein adliges Herrenhaus, später Wohnung des in der schl.-holst. Geschichte
bekannten Präsidenten Scheel (daher auch “Scheels Palais” genannt), ferner die Domschule (Kgl. Gymnasium und Realgymnsium), ein Neubau aus dem Jahre 1869;

weiter wieder in der Hauptstrasse: das Präsidentenkloster.
Ganz in der Nähe liegt das Kaiserl. Post- und Telegraphenamt, 1866 erbaut.

Schräge vis-à-vis auf der Höhe “Bellevue” (S. 8), wohin man an der höheren Töchterschule und Lehrerinnen-Seminar des Fräulein Zupfke vorüber gelangt. Die vor Bellevue sich hinziehende Michaelis-Allee, 1824 – 25 durch freiwillige Beiträge hergestellt,

führt nach Westen hin an dem Germania-Denkmal der 1870 -71 Gefallenen und dem Schneckenberg, einem hübschen Aussichtspunkte, vorüber zum Thiergarten (Königl. Gehege).

Vor dem Schneckenberg die Schützenkoppel, wo am 23. – 25. Juli 1844 das historisch wichtige Schleswiger Sängerfest abgehalten wurde.

Nach Osten hin führt die Allee an dem hochgelegenen Externat des Taubstummeninstituts (Anstalt II) vorbei zur Michaeliskirche.

In der Altstadt.

Von der Michaeliskirche, die breite Allee zur Stadt hinuntergehend, stösst man auf Ravens Hôtel (füher ein Haus der Familie von Ahlefeld), rechts davon ein anderes früheres Herrnhaus, Geltingshof, früher bischöfliches, dann herzogliches Besitzthum, später dann einem Baron
von Gelting gehörig, daher der Name des Hauses, das jetzt zum Theil dem Besitzer der dahinter liegenden grossen Lederfabrik der Gebr. Wiengreen & Firjahn gehört.

Von Ravens Hôtel gelangt man entweder die Hauptstraße längs: durch den Stadtweg an dem Heiligengeist Hospital vorüber (im oberen Stock Freimauerhospital als städtisches Krankenhaus 1802) weiter Kornmarkt, Mönchenbrückstrasse, Gallberg am v. Bardenfleth’schen Stift vorüber (Wohnung für
alte bedürftige Leute seit 1812)

und weiter Langestrasse an der Hoe’schen Bibliothek vorüber (in den 50iger Jahren vom verstorbenen Justizrath Hoe der Stadt vermacht mit Lesezimmer). Drei Häuser weiter, auf der rechten Seite der Strasse, das Haus (1. Quartier Nr. 1), wo der Statthalter Schleswig-
Holsteins in der Zeit der Erhebung Graf Friedrich von Reventlou als Sohn des Rittmeisters und späteren Generalmajors von Reventlou am 16. Juli 1797 geboren ward. Weiter hin das Sielentzsche Stift.

Oder einen kürzeren Weg: Hinter dem Graben am Angler Bahnhof, am Landrathsamt [Admin: gemeint ist wahrscheinlich fälschlich der Plessenhof] und am Bischofshof vorüber (bis 1541 Sitz der Bischöfe, dann später Besitz der Familie v. Rumohr jetzt seit
Langem zu Schulen ausgebaut), zur größten Sehenswürdigkeit Schleswigs, dem Dom St. Petri.

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Mit der Kirche verbunden ein Kreuzgang oder Schwahl, 1440 erbaut, ursprünglich in 2 Stockwerken, deren oberstes (Wohnungen für Vicare) 1743 abgetragen werden musste. Hier alljährlich im Februar Dommarkt, eine Erinnerung an den Todestag Ansgars. Der alte verfallene
Glockenturm beim Dom aus dem 13. Jahrhundert.

Südlich vom Dom das Archiv der Königl. Regierung im alten Gebäude der Domschule (Archivrath Dr. Hille).
Vom Dom südwärts gelangt man zur Schiffbrücke, dem Hafen Schleswigs. Von dort nach
rechts mitten in der Schlei liegt der Mövenberg, der von Ende März bis Ende Juli von zahlreichen Möven bevölkert ist und in dieser Zeit nicht betreten werden darf.

Auf dem grossen Markt das Rathhaus, erbaut 1794, wo Bürgermeisterei und Polizeiamt, dahinter das Graukloster (graue Mönchs- und Franziskanerkloster) seit Anfang des 13. Jahrhunderts, jetzt Hospital für bedürftige und unbescholtene Bürger oder deren Wittwen. Bau noch altertümlichen
Charakters. Vom grossen Markt in südlicher Richtung der Holm, an welchen sich die “Freiheit”, das Gebiet des St. Johannisklosters anschliesst. Meldung beim Klosterverwalter Sieg.

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Außer dem Dom ist die grösste Sehenswürdigkeit Schleswigs die ausserordentlich wohl geleitete grossartige Provinzial-Irrenanstalt, nördlich von der Stadt belegen, zu erreichen vom Kornmarkt aus durch die Michaelisstrasse und über das Stadtfeld. Meldung beim
Pförtner im Männerhause. Besichtigung nur gestattet an den Wochentagen, Nachmittags 2 – 5 Uhr, gegen eine Abgabe von 1 M 50 Pf (an den herum führenden Wärter, auch mehrere Personen zahlen nur 1 M 50 Pf).

Anstalt 1820 von Staatswegen begründet, jetzt unter Provinzialveraltung, mit grossen weiten Baulichkeiten, 900 Kranke, Männer und Frauen, 5 Aerzte, 15 Offizialen, 146 Wart-, Dienst- und Handwerker-Personal etc.; grosses Landareal; musterhafte Oeconomie. Hier erste Rieselwiesen
in Deutschland. Der Besuch dieser überaus schön belegenen Anstalt hat trotz ihrer traurigen Bestimmung nichts Beängstigendes und bieter nach allen Seiten hin auch in Küche, Wäsche, Wirthschaftsbetrieb viel Lehrreiches und Interessantes. – Die Kapelle mit schönen Glasmalereien.

Im Osten der Irrenanstalt das Dorf St. Jürgen. An der Chaussee von dort nach Schleswig das Carstens-Denkmal.
Von der Höhe des Denkmals weite Aussicht über Stadt, Schlei und das Angler Land
[Admin: die Michaeliskirche sah aber 1887 schon anders aus…] Die Idiotenanstalt beim Thiergarten, sehr hübsch gelegen, giebt schwachsinnigen Kindern der Provinz Pflege und mögliche Ausbildung. Privatanstalt. Von der Provinz jährlich 7000 M Zuschüsse. ca. 80 Kinder.
(Inhaber: Vorsteher Stender).

Der Anstalt gegenüber am Rande des Thiergartens der Militär-Friedhof.

Der im Westen der Stadt, hinter Schloss Gottorp gelegene Buchen- und Eichenwald, Thiergarten und Poeler Gehege, unerschöpflich an landschaftlichen Reizen mit bequemen Wegen.

Voran: Neuwerk. Die Cascade mit Springbrunnen, im Jahre 1693 angelegt.

Schöner Rest einer schöneren grossartigen herzoglichen Kunstanlage aus dem 17. Jahrhundert, die sich von der Cascade bis zum jetzigen Militärlazareth erstreckte. Ein mächtiger Herkules (jetzt in Trümmern) ein grosser Globus (ein mathematisches Kunstwerk; später nach Petersburg transportirt)
grosse Fontänen und an der Stelle des jetzigen Lazareths, das Lusthaus Amalienburg, 1822 abgebrochen, zierte den fürstlichen Park.

An der Stampfmühle vorbei gelangt man zu einer Aussichtskanzel, dann weiter westlich die Ziegelei, eine Gasthwirthschaft. Dort in der Nähe auf interessantem auf- und absteigendem Waldwege zu erreichen, der schliesslich zum Colonnenweg herunterführt, Abels Grab. Hinter
der Ziegelei das Poeler Gehege.

Ausflüge.

Verkehrsmittel: Ausser der Hauptbahn Hamburg-Wandrup, die Schleswig-Angler Eisenbahn, von Schleswig in 5 Zonen: Klensby, Schaalby, Scholderup, Taarstedt, Steinfeld, Süderbrarup, wo Anschluss an die Züge der Kiel-Flensburger Eisenbahn. Fahrpreis
nach Süderbrarup 1 M, hin und zurück 1 M 50 Pf, jede Zone 20 Pf, hin und zurück 30 Pf (Fahrplan in den Schleswiger Nachrichten).

Schleidampfschifffahrt: Schleswig-Kappeln. (Fahrpreis 1. Platz 1 M 80 Pf, 2. Platz 1 M 20 Pf, hin und zurück das 1 1/2 fache, bis Lindaunis 1 M 20 Pf resp. 80 Pf, Rheder: Consul Horn).

Im Sommer 3mal hin und her. Stationen: Missunde, Ulsniss, Lindauniss (hier Anschluss an Kiel-Flensburger Eisenbahn), Siesebye, Arnis, Kappeln (Fahrplan in den Schleswiger Nachrichten)

Personenpost nach Fleckebye, nach Hollingstedt und nach Satrup (Angeln). Fuhrwerk immer zu haben.



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Nach Louisenlund im Sommer jeden Sonntag Lusttouren per Dampfer, zuweilen auch an Wochentagen. 3/4 Stunde Fahrt. Fahrpreis hin und zurück 50 Pf. (Sonst zu erreichen per Wagen auf der Eckernförder Chaussee oder zu Fuss über Fahrdorf, wohin man mit der Fähre von der Freiheit bei Schleswig (beim St. Johanniskloster) übersetzt.

Im Parke: Wirthshaus mit Kegelbahn. An Sonntag-Nachmittagen zuweilen Concert.
Sehenswürdigkeiten. (Man melde sich beim Gärtner, dessen Burschen gegen Trinkgeld führen): Die Eremitage (mit einem Eremiten),

Wasserfall, das nordische Haus, als Kapelle dienend, wo alle 14 Tage Gottesdienst durch den Pfarrer in Cosel, in der Nähe ein Schwesterbaum, Buche und Eiche zusammengewachsen; am Nordwestende des Parks die 9 m hohe Louisensäule, mit der Umschrift “Louisen”. Weiter bemerkenswert: der Thurm
mit der Flüstergallerie und vor allem die 2 Runensteine in einer Grotte vereinigt. Vor dem Herrenhause, erst kürzlich restaurirt, am Landungsplatze der Dampfer, die kleine Batterie. In allem ein angenehmer und erfrischender Aufenthalt am Sommernachmittage.

Bootsfahrten auf der Schlei. Ruder- und Segelboote zu miethen an der Schiffbrücke, bei der Schleihalle und im Friedrichsberg, 30 und 50 Pf per Stunde. Nur sehr tüchtige Segler sollten ohne Bootsführer ausfahren. Zielpunkte: Badeetablissement Haddeby, (wohin man Sonntags auch
sowohl von der Schiffbrücke wie vom Gottorfer Damm aus per Dampfschiff “Wilhelmine” (Fahrpreis 10 Pf) gelangen kann).

In der Nähe die alte Kirche, (nach gemeiner Sage von Ansgar 850 gegründet). Winning, mit Gastwirthschaft an der sog. Dreilingsfähre in hübscher Lage, event. die Möveninsel.

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Von Schleswig nach Süderbrarup, per Bahn (21 Kilometer), durch das anmuthige Angelnland. Klensbye, Aufenthaltsort für die Schleswiger am Sonntage (in der Nähe Gut Winning). Von hier Fussweg zurück nach Schleswig; schöne Spaziertour.
Von Steinfeld lohnende Fusstour vom Postwirthshaus über Koppeln

nach Kius, Kirchenholtz (Gastwirthschaft von H. Jessen) und Ulsniss bis ans Schleidampfschiff, mit dem zurück nach Schleswig. (Man kann die Tour auch umgekehrt machen, Gastwirth Jessen in Ulsniss-Kirchenholtz holt, wenn vorher benachrichtigt,
die Gäste von der Ulsniss ziemlich fernliegenden Haltestelle der Dampfer per Omnibus ab.)

Süderbrarup, Hauptverkehrsplatz in Angeln. Besuchteste Gastwirthschaft von Henning Möller. Berühmt der “Süderbraruper Markt” im Juli.

Nicht weit vom Bahnhofe nach Norderbrarup zu das Moor Taschberg, einst ein heiliger See, wo viele werthvolle Alterthümer gefunden sind und werden. Gute Fussgänger können mit der Angler Bahn bis Scholderup fahren,

von da in ca. 3 Std. Grumby, Ellkjer, Tweedt, Loitermühle, Loit, Loiterstrasse, Brebelhof, Klein- und Gross-Brebel (im Grund hübsch die Ruruper Mühle) nach Süderbrarup.


1.528 Ansichten

7 Gedanken zu „Führer durch Schleswig und Umgebung von 1887“

  1. Ein Hammer-Beitrag, vielen Dank! Doch nun bin ich neugierig geworden. Hat es in Dreilingsfähre wirklich mal eine Fähre gegeben? Wenn ja, von wann bis wann? Und, gibt es von ihr Fotos oder Zeichnungen?

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