Die Stadt Schleswig

Es folgt der Text “Die Stadt Schleswig” zur Schleswig-Karte (links) im Topographischen Atlas Schleswig-Holstein 1963 aus dem Karl Wachholtz Verlag (antiquarisch für 2 Euro erstanden). Die Kartenausschnitte sind “ausgewählt und erläutert” von Christian Degn und Uwe Muuß. Es ist nicht ersichtlich, wer von beiden
den hier wiedergegebenen Text verfasst hat – vielleicht ist es ja auch eine Gemeinschaftsarbeit (rechts ist übrigens das “passende” Luftbild aus dem Luftbildatlas Schleswig-Holsten aus dem Jahr 1965 – auch für 2 Euro vom Trödler in der Nachbarschaft).

Die Illustrationen steuert das “Klassentreffen” bei… unbekümmert, unwissenschaftlich, unchronologisch – wie immer eben… Kommentare ausdrücklich erwünscht! ;)

Von Haithabu, das wir hier in größerem Maßstab nochmals sehen, wenden wir uns nun Schleswig zu, das vermutlich kurz vor der Zerstörung Haithabus entstanden ist.

Die Karte läßt erkennen, daß am Ende des Schleizungenbeckens dem Fördesteilrand ein niedriges, kuppiges Gelände mit offenen und verlandeten Seen vorgelagert ist.

In ähnlich günstiger Schutzlage wie Alt-Kiel ist Alt-Schleswig auf einer kleinen, bis 7 Meter hohen, rings von Wasser oder feuchten Wiesen umgebenen Kuppe angelegt worden. Das Domquartier mit der Kurie der Domherren und der rechteckige Marktplatz kennzeichnen die
doppelte Funktion der Stadt.

Eine einzige Straße führt aus der Stadt durch das (1883 abgebrochene) Hohe Tor (auch Angelboetor genannt) über eine niedrige Diluvialschleife auf die flache Fußstufe vor dem 30 Meter hohen Fördesteilhang, der hier durch den Mühlenbach zertalt ist.

An der westlichen Böschung dieser Kerbe zieht sich eine Straße in WNW-Richtung auf die Moränenhöhen hinauf.

Es war früher die einzige Zufahrtsstraße, die Schleswig mit der Nordseeküste und auch mit der wichtigen Nord-Süd-Straße, dem Ochsenweg verband.

Unten am Ausgang des Mühlenbachtales entwickelte sich denn auch im 14. und 15. Jahrhundert die Schleswiger Neustadt als Kaufmanns- und Handwerkersiedlung.

Auf dem niedrigen “Holm” östlich der Stadt, der bis 1933 wirklich noch “Insel” war, hatten sich Fischer angesiedelt.


Hier lag auch das berühmte “St. Johanniskloster von Schleswig”.


Von der Altstadt führte eine Brücke hinüber nach der Juriansburg, dem heutigen Möwenberg. Diese Jürgensburg ist vermutlich zu Beginn des 12. Jahrhunderts von Knud Laward angelegt worden, der Statthalter (Jarl) des Dänenkönigs für die Grenzmark am Danewerk war.

Er führte eine recht selbständige Politik. Als Vorbild schwebte ihm eine Stellung vor, wie sie in Schleswig die Herzöge innehatten. Allmählich begann Südjütland sich nun vom dänischen Reich abzuspalten und sich zu einem erblichen Fürstenlehen, zu einem Territorium mit eigener
Zentralverwaltung zu entwickeln. Es ist kein Wunder, daß es seinen Namen nach der Residenz Schleswig erhielt. Hier an der Schleswiger Landenge war seit jeher der politische Brennpunkt.

Das früh einsetzende Einströmen deutscher Adliger, Bürger und Bauern wurde noch verstärkt, als 1326 zum erstenmal der holsteinische Graf von Schauenburg mit Schleswig belehnt wurde (Admin: Die drei Karten passen zeitlich überhaupt nicht, wollten aber unbedingt
untergebracht werden! :roll: ).

Bedeutung im Fernhandel hatte die Stadt Schleswig von vornherein nicht in dem Maße, wie ihre Vorgängerin am Noor sie besessen hatte. Infolge politischer und wirtschaftsgeographischer Veränderungen im Ostseeraum stieg Lübeck zur Vormacht auf.

Bei der Zunahme der Schiffsgrößen fielen zudem die Vorzüge des Schlei-Eider-Weges nicht mehr ins Gewicht, zumal die Schleimündung mehr und mehr versandete und andererseits die Schiffbarkeit der Treene durch Eindeichungen im Eidergebiet beeinträchtigt wurde.

Von Husum, das jetzt als Nordseehafen aufkam, ging der Transitverkehr aber vorzugsweise nach Flensburg, das im Gegensatz zu Schleswig eine “echte” Fördenstadt ist.

Die Bischofsstadt an der Schlei büßte durch die Reformation an Würde und Einfluß ein. Statt der sieben Kirchen von einst war jetzt der Dom die einzige Pfarrkirche – darin zeigte sich der sinkende Wohlstand der Stadt.

Um die gleiche Zeit setzte jedoch eine völlig neue Entwicklung ein. Sie ist territorialstaatlich bedingt durch das Aufkommen des Hauses Gottorf. Das namengebende Schloß wurde im Burgsee erbaut. Ganz von Wasser und Sumpf umgeben, dazu bald noch außerdem auch noch von Bastionen im Stil
der Zeit, war es eine uneinnehmbare Veste. So, wie es uns heute erscheint, mit seiner imponierenden 115 m langen Südfassade von 1698 bis 1703, repräsentiert es sich als die Residenz prachtliebender und kunstsinniger Fürsten. Leider sind die barocken Parkanlagen nördlich des Schlossen fast völlig verschwunden.

Die Residenz wirkte als Kristallisationskern. An den Wegen, die auf das Schloß zuführten, bauten sich Hofbedienstete an: Zwischen schmalen kleinbürgerlichen Giebel- und Traufenhäusern der Büchsenmacher und anderer Handwerker und mancher Schleswiger Bürger, die hierher
übersiedelten, sind hier und da auch heute noch einige behäbig-breite, von Gärten umrahmte Palais des ehemaligen Hofadels erhalten.

Das niedrige Hügelgelände zwischen dem Burgsee und dem aufgestauten Busdorfer Teich stellten die Herzöge altgedienten Soldaten zur Ansiedlung zur Verfügung; es ist die aufgelockerte Siedlung Friedrichsberg. Nahe am Schloß lag der herzogliche Marstall – der
Straßenname Herrenstall erinnert noch daran.

Zwischen Gottorf und Schleswig entstand zu Füßen des Steilabfalls der Straßenzug Lollfuß-Stadtweg als Landstraßenvorstadt, deren Häuserzeilen sich erst viel später schlossen.

Ein anderer Weg führte vom Lollfuß am Hang eines Erosionstales nach Norden. Er führte vorbei am herzoglichen Vorwerk, das aus dem Dorf Apensdorf gebildet worden war, und erreichte bei den Hühnerhäusern, von wo die fürstliche Hofhaltung mit Geflügeln und Eiern versorgt wurde, die alte
Schleswiger Hauptstraße.

Das war gar nicht im Sinne der Stadt, zumal durch einen Damm zwischen Burgsee und Schlei durch das bisher unwegsame Gelände am Fördenende eine neue Nord-Süd-Verbindung geschaffen worden war. Wie ein Magnet zog die Residenz einen Teil des Verkehrs vom hohen Ochsenweg nun
auf diesen neuen Weg herunter.

Da die neuen residenznahen Siedlungen Friedrichsberg und Lollfuß nicht zu Stadt gehörten und ihre Gewerbetreibenden vielfach privilegiert wurden, beschwerten Bürgermeister und Rat der Stadt Schleswig sich wiederholt beim Herzog, daß “so viele von der Stadt Separierte” sich im
Schloßbereich “an der neuen großen Passage aus Schleswig nach Holstein” angesiedelt hätten, die zu der wachsenden städtischen Schuldenlast nichts beitrügen (Admin: Die beiden Fotos stehen für “Bürgermeister” und “Rat der Stadt”. :>> )

“Wir liegen, sozusagen, in einem Winkel und haben keine freye Zufuhr als aus dem eintzigen Ländgen Angeln”; aber selbst von dort handelten viele Landsleute lieber mit Flensburg als mit Schleswig. Durch solch “verkehrtes Wesen” würde die Stadt “zuletzt desolata werden, indem
alle Nahrung hieselbst krebsgängig und deren Untergang gleichsam für Augen schwebt”.

Dem konnte der Herzog sich auf die Dauer nicht verschließen, und so verfügte er 1711 den Zusammenschluß der heute noch deutlich erkennbaren verschiedenen Siedlungskomplexe zur “combinierten Stadt Schleswig”.

Da aber wenige Jahre später die Gottorfer ihren schleswigschen Besitz an den dänischen König verloren und die Residenz verödete, sank Schleswig in die Rolle einer stillen Landstadt hinab.

Auch die Entwicklung, die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzte, hielt sich in bescheidenen Grenzen, obgleich Schleswig Bahnanschluß erhielt

und nach 1864 Sitz der Provinzialregierung,

zahlreicher Behörden

und umfangreicher Heilanstalten

sowie Garnisonstadt wurde.

Fortan ist Schleswig in ausgeprägtem Maße “Dienstleistungsstadt”. Sie dehnte sich seitdem vor allem auf den hohen Moränenplatten im Norden aus und tut es noch, obgleich wichtige Behörden seit 1945 in die Landeshauptstadt verlegt wurden.

Durch den Gottorfer Damm war einst der große Nord-Süd-Verkehr in das Schleibecken abgelenkt worden, der “Ochsenweg” schließlich völlig verödet. Für den Kraftwagenstrom der Gegenwart stellt nun die Strecke zwischen den Hühnerhäusern und Busdorf einen lästigen
Engpaß dar.

Daher hat man eine Umgehungsstraße gebaut, die östlich von Friedrichsberg auf einem Damm durch die Schleiniederung verläuft und später den Schloßsee auf seiner Westseite umgehen wird.

Daß Schleswig sich dadurch wirtschaftlich umgangen und benachteiligt fühlen und, wie vor 200-300 Jahren zu Klagen veranlaßt sehen sollte, ist jedoch nicht zu befürchten.

Denn die Stadt (33000 Einwohner) bietet zu viele “Attraktionen” von wirklichem Rang: den Dom mit dem wundervollen Brüggemannschen Schnitzaltar;

nahebei das Kleinstadtidyll auf dem Holm mit den niedrigen Fischerhäusern und ihren Bewohnern, die in ihrer Abgeschiedenheit noch in einem anderen Jahrhundert zu leben scheinen.

Reiche Schätze aus vielen Jahrhunderten birgt das Schloß Gottorf, das nach dem zweiten Weltkrieg das Landesmuseum und das Museum für Vor- und Frühgeschichte aufgenommen und damit eine würdige Bestimmung erhalten hat.

Hier findet man unter anderem das Nydamboot aus der Zeit, da Angeln und Sachsen nach Britannien übersetzten.

Auch für den Besuch der historischen Stätten im Umkreis, Haithabu und Dannewerk, ist Schleswig der geeignete Ausgangspunkt.


Dem, der von Kiel oder Rendsburg her sich Schleswig nähert, bietet bei jedem Wind und Wetter der Blick über die schilfufergesäumte Schlei auf Dom und Schloß Gottorf immer wieder ein eindrucksvolles Bild.

Schön ist auch der Ausblick von der schattigen Promenade hoch oben auf dem Fördensteilrand auf die ziegelrote Stadt an der Schlei und ihre anmutige Umgebung.

Das wär’s! :yes:

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3 Gedanken zu „Die Stadt Schleswig“

  1. Entgegen dem Text kann ich mich daran erinnern, daß die Friedrichsberger Kaufleute sich, nach Fertigstellung der Umgehungsstraße, über sinkende Umsätze in der SN beschwerten.

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