Rund um die Bugenhagenschule

Moin Gerd, Friedrichsberg hat durch eine neue optische Attraktion an Charme gewonnen. Direkt vor der Bugenhagenschule wurde ein gewaltiges Werbeschild platziert, das stolz auf die ein paar hundert Meter weiter im Bereich des abgerissenen Friedrichsberger Kinos neu entstandenen Konsumtempel hinweist.

Mit dem Schild erweist Friedrichsberg offenbar vor allen Dingen jenen Discountern seine Referenz, die hierzulande sonst fast

niemand kennt. Der Clou ist dabei, dass die Pfeiler der Beschilderung scheinbar in dem dezenten Lila der Steine unserer schönen, alten Bugenhagenschule glänzen sollen. Ein lobenswerter, wenn auch ein wenig misslungener Versuch. Die Initiatoren haben sich immerhin etwas bei der Gestaltung des Schildes gedacht. Kein Wunder, dass das so genehmigt wurde.

Mir fiel dieser Augenschmaus vor wenigen Wochen schon mal auf, und auch heute war meine Freude darüber so groß, dass ich ihn endlich mal fotografiert habe und dieser Mail beifüge. Die Dämmerung war schon hereingebrochen, aber man kann die Vorzüge der Beschilderung, glaube ich, noch ganz gut erkennen.

Etwa an der Stelle des Schildes wurden wir übrigens als Schulkinder so um und bei 1958 mit Otto Hasse mal postiert, um dem damaligen Bundespräsidenten Papa Heuss zuzuwinken, der der Stadt Schleswig einen Besuch abstattete. Ich glaube, man hatte uns sogar Deutschland-Fähnchen in die Hand gedrückt. Weiß ich aber nicht mehr genau. Die Wagenkolonne bretterte da in einer Staubwolke dann so vorbei, dass Papa Heuss überhaupt nicht zu sehen war. Ich habe ihn jedenfalls nicht wahrgenommen. Vielleicht erinnern sich auch noch andere Ex-Bugenhagenschüler daran. Das nur mal so am Rande.

Schöne Grüße
Jürgen Jürgensen

(Das Foto mit Papa Heuss und dem Schleswiger Museumsdirektor Schlee stammt aus dem Buch “Schleswig 1945-1968” von Reimer Möller und Holger Rüdel)

Norbert hett noch wat to seggn:

Jubelt hebbt se all imma!

Datt güng bi de Kaiserin to de Dominweihung los. Schaa, datt uns Kaiser Willem II nich dorbi sien kunnt. Awer dann keem uns Vadderfigur Hindenburg. Dor süht man, datt uns (Groot-)Öllern nix verlehrt hebbt. Bi so´n groode Minsch wär´n de Straaten vull. Leider, leider hävv ick nix dorvun lest, datt Addje, uns GRÖFAZ, in Sleswich wär. Anne Bräune kunna datt nich leggn hämm. Awer no den Krieg keem alle Machtminschen. Opp dat Heuss, Conny, de “Dicke” or Heini mit sien Willemine (över de Beiden geev datt jo ´n Barg Witze), Kiesinger oder Wienbrand-Willi wär, de Lüüd hebbt jubelt.

Ach so, wi wüllt jo nich unsern MP Lemke vergeeten, as de tum “Tag der Heimat” am 12.09.1965 doöver weent hätt, watt he un sien PG´s versemmelt hebbt.
Dat latinische Sprickwoort “De mortuis nil nisi bene” bruuk man bi düsse Lüüd nur selten anwenden! Willi wär wohl ´ne Utnahme, obwohl uns Conny un noch etliche anner Idioten emm datt ankreidete, datt he unehelich born wär!!!!!! TzTzzTzzz
(De Biller sünd ut de Reech “Archivbillers”)
 
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11 Gedanken zu „Rund um die Bugenhagenschule“

  1. Papa Heuss habe ich (wohl am gleichen Tag wie Jürgen Jürgensen) tatsächlich im Lollfuß gesehen, als sein Wagen bei der Buchhandlung Bernards hielt und er dort einen Besuch abstattete (war da nicht irgendwie etwas mit Verwandtschaft?)

    Gerd Tams: Bernaerts, Lollfuß 3 (Schulligung Torsten)

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  2. Es muß 1955 gewesen sein als Papa Heuss Schleswig besuchte, denn wir waren in der fünften Klasse und mußten, wie Gerd es richtig beschrieben hat, Papa Heuss, der 1933 mit für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte, vor dem Schloß zujubeln. Ob wir Fähnchen in der Hand hatten weiß ich nicht mehr.
    Die Inhaberin der Buchhandlung Bernards soll eine Cousine von H. gewesen sein.

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  3. Das Schild ist wohl ein Schleswigbürger-Streich – oder nach neuester Rechtslage einfach so errichtet? Dürfte man dann wegen Geschmacksbeleidigung auch im Gegenzuge einfach so abbauen?
    In meine Bugenhagenschulzeit (1948-52) fallen ebenfalls Besuche von Heuss und auch Adenauer. Für deren Vorbeifahrten standen wir dann natürlich dort am Straßenrand. Es waren unser Präsident bzw. unser Bundeskanzler, die im offenen Wagen vorbeifahrend freundlich unser Winken erwiderten – eine auch heute noch für mich selbstverständliche Geste und damals eine absolute Sensation im abgelegenen Beamtendorf Schleswig.
    Von “Vorbeibrettern in einer Staubwolke” absolut keine Spur – bei der damaligen Technik wohl auch eher spät hineininterpretiert?
    Und wenn ich mal wieder an unsere eigenen Eltern / Großeltern erinnern darf: Die – und nicht irgendwelche einzelnen in irgendwelchen Positionen – hatten ja wohl mit ihrer Mehrheit für die braune Partei gestimmt und damit das ganze Unheil erst ermöglicht !!!

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  4. Schilderstreiche dieser Art gehören bei uns ja mittlerweile zum Alltag. Aber diese neue Sünde da in Friedrichsberg entspricht noch einer Steigerung. Kaum zu glauben! Der Schwachsinn nimmt seinen Lauf.

    Wenn man den für Friedrichsberg zuständigen Gewerbeverein (oder wie das da heißt) fragen würde, bekäme man bestimmt Auskunft über Entstehung und Vorzüge einer derartigen Innovation.

    Über die Entstehung kann man als Auswärtiger freilich nur spekulieren. Etwa so: Ein greller Geistesblitz des zuständigen Gremiums überlebt sowohl Idee, Planung als auch Genehmigung und kommt zur Ausführung, weil sich heutzutage kein Verwaltungsleiter mehr traut, dem Kapital die Stirn zu bieten. Von wegen neue Arbeitsplätze, Wirtschaftsbelebung, Wettbewerbsnachteile und so…

    Und nochmal zu Papa Heuss (mein Lieblingsspruch von ihm “…denn siegt mal schön…”): Ich hätte ihm damals in meiner kindlichen Freude auch gern zugewunken. War uns ja von Lehrer Otto Hasse auch wärmstens ans Herz gelegt worden. War aber nix. Es war heiß und trocken, und Papa Heuss bretterte da blitzartig in einer Staubwolke vorbei. Wirklich! Vielleicht wollte er schnell zum Kaffee bei seiner Cousine kommen…

    Und von wegen damalige, alte Technik: Könnte ja sein, dass er da zB noch mit einer Staatskarosse wie dem offenen Mercedes-Benz 770 (W 150) unterwegs war – die Dinger hatten 230 PS. Ein Traumauto übrigens. Wurde leider auch von Adolf missbraucht und besitzt daher vielfach zweifelhaften Symbolcharakter.

    Nochmal kurz zu Lehrer Otto Hasse: Papa Heuss ließ sich damals reichlich Zeit, und wir mussten ganz schön lange da rumstehen. Otto vertrieb sich derweil damit die Zeit, uns von hinten mit der flachen Hand auf die nackten Beine zu klatschen, wenn wir etwas Quatsch machten. Er machte das so subtil, dass es richtig pierte. Auch in diesem Zwerg schlummerte eben etwas Sadistisches. Als Lehrer habe ich ihn trotzdem gemocht.

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  5. Lieber Hanns M.ich finde es befremdlich, daß Du nicht zu wissen scheinst, daß es 1933 keinesfalls eine braune Mehrheit im Reichstag gegeben hat. Diese Mehrheit wurde erst mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien, wobei sich das katholische Zentrum (Brüning) besonders hervortat, bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz möglich.
    Natürlich weiß ich das die Generationen unserer Eltern und Großeltern im Allgemeinen Hittler positiv gegenüber standen, das bedeutet aber nicht, daß Leute, die in irgend einer Weise belastet sind, und sei es auch nur wie Papa Heuss, von Ministerpräsident Lembke will ich gar nicht erst reden, das Recht hatten am Aufbau eines demokratischen Staates beteiligt zu sein, erst recht nicht in so einer herausgehobenen Position! Da gibt es wohl eine unheilvolle Kette vom Zentrum zur CDU!

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  6. Hallo, Wolfgang Kather!
    Im stammverwandten Dithmarschen hatten sie gleich nach der ersten Wahl die absolute Mehrheit. Auch in unserem Wohnzimmer gab es im Mai 1945 einen größeren hellen Fleck an der Wand – dort hatte einige Jahre ein Porträtphoto gehangen…
    War aber kein wirklicher Schutz vor der Gestapo gewesen und der lügenhaltigen Denunziation durch einen der Nachbarn, der sich selbst zu gegebener Zeit zum Dänentum bekannte und so auch seinen Abeitsplatz im Roten Elephanten von der braunen Zeit herüberrettete – ein kleiner Lembcke…
    Nicht immer gabs in der Realität den defekten Film-Fahrstuhl für all die Bruno Tichesse. Sie und ich hätten es ihnen gewünscht. Aber vielleicht kriegt sie ja noch ein anderer beim Schlafittchen – oder hat sie schon gekriegt…

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  7. “Böse” Zungen behaupten ja, daß auf vielen Dachböden,besonders in Dithmarschen, die braune Fahne noch etliche Jahre nach dem II. Weltkrieg versteckt war oder noch ist.:oops:

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  8. …versteckt war oder noch ist und w i e d e r ist. Kaum zu glauben, was die Ordnungshüter heutzutage bei Glatzen und Gleichgesinnten anlässlich mittlerweile üblicher “Hausbesuche” so von den Wänden reißen und beschlagnahmen. Man würde sich wundern. Die Asservatenkammern sind voll davon! Mittlerweile haben die mit diesen sogenannten Rechtsradikalen (die Bezeichnung ist eher geschmeichelt, denn die meisten von denen sind schlicht Asoziale) soviel an der Backe, dass sie sich auf die Straftaten beschränken und den Nazi-Schrott an den Wänden und in den verkommenen Behausungen geflissentlich übersehen…

    Abgesehen davon: Der sogenannte Wiederaufbau stand in Westdeutschland mit all seinen Widersprüchen ganz wesentlich und auch gewollt im Zeichen der alten Parteigenossen, weil ohne diese hier überhaupt nichts gelaufen wäre. Das hatten speziell die westlichen Alliierten (insbesondere die USA) von vornherein einkalkuliert. Die Entnazifizierung war eine Farce, hatte schließlich nur Alibi-Charakter.
    Der Hauch unserer Geschichte ist darüber hinweggefegt…

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  9. ..es sollte vielleicht noch erwähnt werden,dass die Frau von Papa Heuss,Elly Heuss-Knapp,eine sehr enge Freundin von Anna Paulsen gewesen ist-und von daher der Besuch des Ehepaares Heuss ihr gegolten hat.
    Anna Paulsen wohnte in der Chemnitzstraße 55

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