Jürgen hat gestöbert

“Neue” Ansichtskarte:

Diese Karte aus dem Jahr 1905 ist beschriftet mit: “Herzl. Glückwunsch. Unser Umzug nach Lockstedt … Gruß” und “c’est moi” (das bin ich). Hier noch ein Link.

Jürgen Jürgensen: Hallo Gerd, jetzt gibt`s Arbeit:

Beim winterlichen Stöbern bin ich mal wieder fündig geworden und maile Dir Fotomaterial meiner Familie zur freien Verfügung (Admin: die Texte zu den Bildern sind aus der Mail übernommen).

Irgendeiner der Abgebildeten auf dem Foto eines Musikzuges beim Kaisermanöver 1904 ist mein Opa Heinrich Sönksen (geb. 1867 in der Nähe von Bredstedt) aus Schleswig , der mehrere Instrumente spielte und bei den Schleswiger Husaren gedient hat. Ob das auf dem Foto Husaren sind, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht. Ich glaube,
die Husaren trugen keine Pickelhauben.

Wegen des Seltenheitswerts sende ich die Rückseite der Aufnahme gleich mit.

Jochen schreibt: Hallo Gerd,
wie ich bereits in meinem Kommentar zu Jürgen Jürgensens Manöverbild schrieb, habe ich drei Bilder von meinem Grossonkel Wilhelm Rathje geerbet, vielmehr von seiner Witwe, Tante Tine/Catharine. Er war Militärmusiker bei den sogn. 84ern aus Schleswig.

Anbei schicke ich Repros der drei Bilder. Das eine ist eine recht bekannte Postkarte, auf der auch Onkel Willi die Moltkestrasse runter in den Krieg zieht (Admin: Du hast recht, Jochen – diese Karte war schon im “Bestand”).

Die beiden anderen Bilder schickte er aus Lockstedter Lager an seine Verlobte Catharine, die bei Ewoldsen in der Michaelisstrasse in Stellung war (Admin: Da hat meine Mutter gelernt).

Ich schicke auch mal die Rückseite des Bildes mit dem merkwürdigen Fahrzeug. Es ist Onkel Willi, der da auf dem Esel sitzt; und der nicht gezögert hat, seine militärische “Unwürde” in die gesamte Verwandtschaft und Bekanntschaft als Postkarte zu schicken. Ich schätze mal,
dass die Musiker beim Militär auch damals wohl aus etwas anderem Holz geschnitzt waren, als der Rest der preussischen Soldaten. Ich darf mir da aber kein Urteil erlauben, von wegen der Gnade der späten Geburt und da ich im Übrigen den Wehrdienst umgangen habe.
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Hier geht es jetzt weiter mit Jürgens “Stöberei”:

Das ist meine Oma Elise Sönksen geb. Wolff (Jahrgang 1879) aus Schleswig auf einem Foto von etwa 1900. Die Ähnlichkeit mit ihrer jüngsten Tochter (meiner Mutter, Jahrgang 1918) als junger Frau ist verblüffend.

Auf der Rückseite des Fotos ist Fotograf Carl Hüseler, Schleswig, Stadtweg 147 (Nachfolger von Hof-Fotograf O. Seligmüller) ausgewiesen. Da wurden Firmenlogos wenigstens noch kreativ gestaltet :-D .

Das ist meine liebe Mama etwa 1935. Schwer zu erraten, wo das Foto aufgenommen wurde :-D .

Militär spielte in Schleswig ja schon in Urzeiten eine große Rolle und hat auch das Leben meiner Familie stark beeinflusst.
Mein Vater (Jahrgang 1911) hat zumindest die ersten Jahre seiner Militärzeit ausführlich fotografisch festgehalten. Er diente 1934-36 mit etlichen Jungs aus Schleswig im 100TM-Heer in der Junkerhohlweg-Kaserne, Flensburg beim Infanterie-Regiment 26 (damals ganzer Stolz Flensburgs) und war dann mit kurzen Unterbrechungen bis zum bitteren Ende 1945 Landser bei verschiedenen Einheiten, mit Annexion des Sudetengebietes 1938, Polenfeldzug 1939, Westfront 1940, Ostfront ab 1942 usw. Keine Verwundung. Kurze amerikanische Gefangenschaft.
Das Foto zeigt ihn (2. v.l). bei einer Übung in Senne 1935. Der Drill war gnadenlos, die Ausbildung intensiv, Kriegsvorbereitung eben.

Eine Truppenparade des IR 26 im Zentrum Flensburgs 1935. Das Foto ist insofern witzig, weil mein Vater Hans Jürgensen hieß, so wie im Hintergrund der alteingesessene Textilhandel in Flensburg auf dem Holm, der heute noch existiert.

Auf dieses Ungetüm wurde mein Vater in Flensburg gedrillt. Es war bis zu seiner Versetzung zur Artillerie Anfang der 40er sein Arbeitsgerät und hatte eine verheerende Wirkung. Das schilderte er mir noch kurz vor seinem Tod. Vorher war das ein Leben lang tabu.

Als Teilnehmer der Schlacht an der Bzura beim Überfall auf Polen 1939 befand mein Vater sich im Zentrum eines polnischen Ausbruchs aus dem entstandenen Kessel, wo mit diesem MG in kürzester Zeit mehrere 1000 Schuss abgefeuert wurden, bevor die Jungs es aufgaben, um die nackte Haut zu retten.
Bilder dieses Traumas ließen meinen Vater bis zuletzt nachts nicht selten schweißgebadet aufschrecken. Bei dem Einsatz fiel Hauptmann Schott als einziger Offizier aus Schleswig (wohnte am Öhr). Etwa 50 Mann aus Schleswig und Umland wurden dort zum Teil schwer verwundet. Was hat man diesen armen Jungs nur zugemutet…




Hallo Gerd, anbei der Vollständigkeit halber ein letzter Scan zum Thema. Mit diesem Wisch waren rund 12 Jahre Militärzeit für meinen Vater vorbei. 12 bittere, verlorene Jahre, denen er Zeit seines Lebens nachgetrauert hat. Mit 23 rein, mit 34 Jahren raus. Die besten Jahre eines jungen Mannes. Dann kam ein schwerer Neuanfang. Klar, so ist das vielen ergangen. Zum Glück ging es ihm im späteren Leben dann gut.
Dieses Papier steht eingerahmt bei mir auf dem Schreibtisch.

2.359 Ansichten

9 Gedanken zu „Jürgen hat gestöbert“

  1. Sehr interessante Bilder.
    Zum Kaisermanöver: Es könnte sich um die Musikkapelle der sog. 84er aus Schleswig handeln. Ein Urgrossonkel von mir, Willi Rathje hat da zumindest mal Posaune geblasen. Der Zweite von links in der hinteren Reihe sieht ihm ähnlich; ist’s wohl aber doch nicht, wenn das Foto vom Kaisermanöver 1904 stammt, da war er doch wohl schon älter? Ich habe da auch mal drei Bilder geerbt; der Skanner tuts nur derzeit nicht….
    Das Kaisermanöver hat seinerzeit wirklich vielfältig Schatten geworfen. Ich bin darüber einmal beim Studieren er zeitgenössischen Schulchronik von Moldenit gestoplpert. Der Schulmeister hat seine sämtlichen Kinder zu Fuss 8 km nach Missunde spazieren lassen und zurück, um für den Kaiser Spalier zu stehen. Man wird in den Zeitungen der Region überschwengliche Berichte finden können; Kaiser hier, Kaiser da usw.

    Zur Entlassungsstelle Brekling: Da ist mein Grossvater auch 1945 hingewesen, um sich entlassen zu lassen. Wieso Brekling? War da ein grösseres Lager? Gibt’s da Einzelheiten oder gar Bilder?

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  2. Hallo Jürgen,
    bewegende Dokumentation…….kann ich nachempfinden,da mein Vater (Jahrgang 1914 aus der Gefangenschaft 1948 gekommen) auch,wie er immer sagte seine Jugend in Krieg und Gefangenschaft gelassen hat.
    Diese Generation wurde um ihre Jugend betrogen.
    Aber was ich eigentlich wissen wollte,Dein Großvater – H.Sönksen – stammt der aus Sönnebüll?

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  3. Gefunden bei Sönke:

    11.August 1945
    Es kehren immer mehr deutsche Soldaten in die Heimat zurück. In Brekling ist für dieselben eine Entlassungsstelle eingerichtet worden.
    Schleswigs Einwohnerzahl beträgt jetzt 26213. Dazu kommen noch 9767 Flüchtlinge und Evakuierte. Insgesamt sind es also rund 36ooo Personen.

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  4. Hallo Lutz,

    die Sippe meines Opas H. Sönksen war in Bordelum und Mildstedt angesiedelt. Von Sönnebüll ist mir nichts bekannt. Sönksens gibt es in der Ecke ja viele. Über die alten familiären Zusammenhänge mütterlicherseits weiß ich wenig. Früher hab ich mich dafür nicht interessiert, und heute ist es zu spät, weil aus der Generation keiner mehr lebt. Leider hab ich meinen Opa auch nicht mehr gekannt. Er kam 1938 mit 71 Jahren bei einem Verkehrsunfall in Jagel ums Leben.

    Wer übrigens, wie dein Vater, noch Jahre in Gefangenschaft verbracht hat, war ja noch ärmer dran. Nach der Kapitulation ist mein Vater von der österreichisch-ungarischen Grenze zu Fuß nach Schleswig gelaufen. Dafür brauchte er von Mai (Kapitulation) bis August `45 drei Monate (siehe Entlassungsschein aus Brekling). Zwischendurch landete er ein paarmal in Auffanglagern der Alliierten, aus denen er mit ein paar Kameraden immer schnell türmte. Das war lebensgefährlich, aber dadurch blieb ihm eine längere Gefangenschaft erspart.

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  5. Hallo nochmal Lutz,

    Sönnebüll und Bordelum liegen ja direkt nebeneinander, wie ich gerade auf der Karte gesehen habe. Das wusste ich nicht. Das macht mich jetzt neugierig. Warum fragtest Du speziell nach H. Sönksen, Sönnebüll?

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    • Hallo Herr Jürgens,

      vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Mein seit vielen Jahren verstorbener Vater hieß: Uwe Matthias Sönksen und wurde am 12.8.1937 in Sönnebüll geboren. Wenn ich mich richtig erinnere können wir die Familie bis Ende des 18. Jahrhunderts verfolgen. Alle stammen aus Sönnebüll oder Breklum und tragen den Namen Sönksen oder auch Martensen. Die Unterlagen liegen als Kopie bei meiner Mutter. Gerne bin ich bereit Ihnen eine Kopie für Ihre Recherchen zur Verfügung zu stellen.

      M.f.G.
      Sönke Hilmert

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  6. Moin Lutz,

    nee, kann ich nix zu sagen. Wahrscheinlich gibt es in der Ecke weitläufige Verwandtschaft ohne Ende. Das Telefonbuch zeigt allein für Bordelum und Sönnebüll Dutzende Sönksens…

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